WU/„Presse“-Debatte

Warum der Gender Pay Gap immer noch ein Thema ist

Podiumsdiskussion in der WU Wien
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Was sind die Gründe, warum Frauen weniger verdienen als Männer? Darüber diskutierte ein Expertenpanel im Rahmen einer WU-Veranstaltung in Kooperation mit der „Presse“.

Wien. Damit man nicht aneinander vorbeidiskutiere, müssten alle über das Gleiche sprechen, sagt Alyssa Schneebaum, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zum Gender Pay Gap schwirren unterschiedliche Zahlen herum. Die Berechnungen der verschiedenen Institutionen variieren in Bezug auf die Einflussfaktoren – wie Firmengröße oder Anzahl der Wochenstunden, die jemand arbeitet. Laut der Statistik Austria lag der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten zuletzt bei 18,8 Prozent. Die Statistik Austria vergleicht die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste in der Privatwirtschaft. Das Wifo, das den öffentlichen Sektor miteinbezieht, kommt auf elf Prozent Lohnunterschied.

Die Ursachen

Die Gründe für die Gehaltsdifferenz sind vielfältig. Ein zentraler Faktor sei die Sozialisation, findet Schneebaum. Schon im Kindesalter manifestiere sich zum Beispiel durch Werbung oder Filme in den Köpfen, dass Buben etwa kompetitiv sein sollen, während fürsorgliche Tätigkeiten auf Mädchen fallen. Ein maßgeblicher Grund für die Gehaltsdifferenz bestehe auch darin, dass die Hälfte der Frauen in Österreich Teilzeit beschäftigt sei, sagt Sophie Achleitner von der Arbeiterkammer. Hier müssten bessere Rahmenbedingungen für Frauen, die Vollzeit arbeiten wollen, geschaffen werden. Laut einer Erhebung der Statistik Austria ist Teilzeitarbeit aber auch der ausdrückliche Wunsch vieler Frauen. „Gehe es deshalb nicht auch um die Summe individueller Entscheidungen?“, fragt Moderatorin Jeannine Hierländer von der „Presse“. „Ich sage nicht, dass es keine Unterschiede bei den Präferenzen zwischen Männern und Frauen gibt“, sagt Schneebaum. Aber die Einflüsse der Sozialisation spiegelten sich auch in den im Laufe des Lebens getroffenen Entscheidungen wider.

Schlüsselfaktor Kinderbetreuung?

Das Arbeitsmarktservice (AMS) bietet spezielle Ausbildungen an, um Frauen in handwerkliche und technische Berufe zu bringen – etwa das Programm „FiT“. Laut AMS-Chef Kopf sei es allerdings schwierig, Frauen zur Teilnahme zu bewegen. Ein Grund dafür seien Betreuungspflichten. Es scheitere schon an den Öffnungszeiten der Kindergärten und Krippen, gerade auf dem Land sehen sich Eltern mit vielen Schließtagen oder fehlendem Mittagessen konfrontiert, sagt Kopf.

Gerade einmal die Hälfte der österreichischen Kinderbetreuungseinrichtungen erfüllt die von der Arbeiterkammer entwickelten VIF-Kriterien für ganztägig arbeitende Eltern. Laut Achleitner müsse sich auch das Stigma um Kinderbetreuung auflösen, niemand solle sich schlecht fühlen, weil der eigene Nachwuchs außer Haus betreut wird. Kindergärten und -krippen seien auch Orte für frühe Bildung.

Eine wichtige Rolle spielen auch die Papas: Die Möglichkeiten für Väterkarenz seien noch nicht ausgeschöpft, sagt Achleitner. Es brauche finanzielle Anreize, damit auch Männer länger als sechs Monate in Karenz gehen. „Die Kosten des Daheimbleibens sind für Männer sicher höher als für Frauen“, sagt Schneebaum.

Und wie verändert man festgefahrene Rollenvorstellungen? Das sei eine große Herausforderung, so Schneeberg. Wichtig sei es, ein Bewusstsein zu entwickeln. Das brauche allerdings Zeit. Genau deshalb wird der Gender Pay Gap auch in näherer Zukunft Thema bleiben. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2023)

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