Kommentar

Ein Härtetest für Israels schwache Regierung

Premier Netanjahu muss auf ein Militär vertrauen, das ihm misstraut.

Für Militärexperten in Israel kam der Zangenangriff der Hamas mit stiller Unterstützung der Hisbollah aus dem Libanon und aus Gaza just zum Pessach-Fest und mitten im Ramadan nicht aus heiterem Himmel. Sie hatten eindringlich vor einer Explosion der Gewalt in einem Moment der Schwäche und der Spaltung des Landes gewarnt.

Zumal der Granaten- und Raketenhagel einem Drehbuch folgt: Vor bald 50 Jahren haben Ägypten und Syrien während des Jom-Kippur-Fests und des Ramadan einen Krieg am Sinai und auf dem Golan lanciert.

Nach der Krisensitzung seines Sicherheitskabinetts markierte Premier Benjamin Netanjahu den starken Mann. Israels Feinde müssten einen hohen Preis zahlen, tönte der Regierungschef. Wie so oft stilisiert er sich zum Garanten der Sicherheit. Nur, dass er sich den Extremisten in seinem Kabinett ausgeliefert hat.

Nun muss er einem Militär vertrauen, das ihm in großen Teilen misstraut – und einem Verteidigungsminister, den er vor zwei Wochen entlassen hat, um ihn dann doch im Amt zu belassen. Im Zuge der Proteste gegen die umstrittene Justizreform haben frühere Armee- und Geheimdienstchefs, ehemalige Eliteeinheiten und Reservisten sich im zivilen Ungehorsam gegen Netanjahus Pläne gestellt und mit Sabotage gedroht.

Doch die Loyalität zum Staat ist groß genug, dass sie sie nicht in der Stunde der Not aufkündigen. Jetzt ist Netanjahu am Zug: Er sollte die Reform überdenken, die Israel zu zerreißen droht.

thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2023)

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