Sansibar hat alles für einen unvergesslichen Strandurlaub. Viele verlängern hier nach einer Safari.
Indischer Ozean

Sansibar: Die Insel der guten Laune - und der wachsenden Müllberge

Weiße Sandstrände, türkisblaues Meer, kultureller Reichtum: Sansibar hat alles, was man von einem Traumurlaub erwartet. Doch die Insel im Indischen Ozean hat auch ein Problem: Müll.

Kurz bevor die Sonne ins Meer fällt, beginnt sich der Strand mit Leben zu füllen. Das enge Gassengewirr von Stone Town, wie das alte Zentrum der Inselhauptstadt Sansibar City genannt wird, endet direkt an diesem blendend weißen Streifen, der in das flache Meer führt. Nahe der Mole üben Burschen ihre Salti. Immer wieder nehmen sie Anlauf, springen ab und landen im weichen Sand. Neben einer Gruppe von Mädchen mit Hijab, die voneinander Fotos mit dem Handy schießen, beenden Kinder kichernd ihren Schwimmunterricht. Ein ganz normaler Tag am Strand von Stone Town geht zu Ende. Die Rufe des Muezzins sind verklungen, der Klang der Kirchenglocken hallt nach. Dann wird es rasch dunkel, gleich legt sich der samtblaue Nachthimmel über die uralten Steinhäuser.


Sansibar mit seinen kilometerlangen Stränden, dem türkisblauen Meer und den Korallenriffen ist zu einem beliebten Reiseziel geworden. Rund 30 Kilometer von der Küste Ostafrikas entfernt liegt der Archipel, der aus der größeren Hauptinsel Unguja und dem kleineren Pemba besteht. Viele Urlauber verbringen hier nach einer Safari in Tansania, zu dem Sansibar gehört, unvergessliche Tage am Strand. Doch Unguja, nur rund 83 Kilometer lang und 37  Kilometer breit, ist nicht bloß eine Insel im Indischen Ozean. Sansibar ist auch so etwas wie ein Sehnsuchtsort, dessen Name im Ohr klingt und an Düfte orientalischer Gewürze erinnert.

Umschlagplatz der Sklaverei

Einst hat der Reichtum der Insel durch den Handel mit Gewürznelken, mit Elfenbein und mit Menschen Herrscher aus aller Welt angelockt und die dunkelsten Kapitel der Geschichte Sansibars geschrieben. Hunderttausende aus dem gesamten ostafrikanischen Raum wurden nach Sansibar gebracht und weiter in aller Herren Länder verkauft. Noch heute können die beklemmenden Zellen am früheren Sklavenmarkt besucht werden.


Die Sultane von Oman, für die Sansibar ein wichtiger Handelsposten war, prägten der Stadt ihren arabischen Stempel auf. Die kunstvoll geschnitzten Holztüren aus Tausendundeiner Nacht sind das Markenzeichen der Unesco-geschützten Küstenstadt. Sansibar war Umschlagplatz für Kardamom, Zimt, Muskatnuss und Pfeffer, später machte der Anbau von Gewürznelken die Insel berühmt. Der Besuch eines Gewürzgartens mit seinen duftenden Köstlichkeiten ist Pflicht.
Zuerst waren es die Portugiesen, später kamen die Briten. Sie beendeten die Sklaverei – und auch sie hinterließen ihre kolonialen Spuren. So entstand eine Stadt am Meer mit einem einzigartigen kulturellen Mix aus Afrika, Arabien und Europa.


Heute ist der Tourismus die Lebensader des mehrheitlich muslimischen Landes. War das kleine Sansibar in den 1980er-Jahren noch ein Geheimtipp, kam vor der Coronapandemie eine halbe Million Menschen pro Jahr. Tendenz steigend. Überall auf der Insel entstehen neue Hotelanlagen, die den Baumbestand und Mangrovenwälder schrumpfen lassen. Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich die Einwohnerzahl Sansibars auf fast zwei Millionen verdoppelt.

Um jede Ecke lauert eine bunte Überraschung im Gassengewirr von Stone Town, dem alten Teil der Hauptstadt.
Um jede Ecke lauert eine bunte Überraschung im Gassengewirr von Stone Town, dem alten Teil der Hauptstadt.Irene Zöch


Und das bringt zahlreiche Probleme mit sich: Die Müllberge wachsen. Hinter den Häusern, am Strand, am Straßenrand – überall liegt Plastik. 230 Tonnen Müll fallen pro Tag an. Nur rund die Hälfte davon wird auf der einzigen, von der Weltbank finanzierten Mülldeponie im Inneren der Insel entsorgt. Der Rest landet irgendwo. Noch ist das Umweltbewusstsein gering, doch es gibt – meist private – Initiativen, die dagegen ankämpfen.

Lebensbedingungen verbessern

Auch die Reiseveranstalter haben das Problem erkannt, entsteht der meiste Müll doch in den Hotels. Sie versuchen ökologisch und sozial nachhaltig zu agieren. Hier kommt die TUI Care Foundation ins Spiel. Die vom Tourismuskonzern unterstützte unabhängige Stiftung will Tourismus als Vehikel nutzen, Umwelt- und Lebensbedingungen der Menschen in Urlaubsländern zu verbessen.


Eines dieser Projekte, das längst zu einem sozialen Unternehmen angewachsen ist, hat eben erst ein neues Betriebsgelände nördlich von Sansibar City bezogen: Chako (Swahili: Deines) will nicht nur das Müllproblem angehen, sondern zugleich junge Frauen fördern. Dabei setzt Chako auf Upcycling: Aus Altglas stellen 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Souvenirs her, die in den Inselhotels sowie in einem eigenen Shop in Stone Town verkauft werden.

»Die Müllberge wachsen. Vieles kommt auch von den Hotels.«


„Begonnen haben wir im Keller unseres Hotels“, erzählt Anneloes Roelandschap. Doch die Kellerräume wurden schnell zu klein, sagt die Niederländerin, die vor rund 25 Jahren nach ihrem Uni-Abschluss nach Sansibar kam  – und blieb, als sie ihren Mann, Suleiman Ali Mohamed, kennenlernte. Schon bald war klar, dass die beiden etwas Nachhaltiges im Tourismussektor anpacken wollten. Heute verarbeitet das Unternehmen pro Jahr 1,8 Millionen Kilo Altglas zu hochwertigen Lampen, Trinkgläsern, Karaffen oder Kerzengläsern. Auf dem Betriebsgelände türmen sich leere Glasflaschen in allen Formen und Farben. Diese werden erhitzt, durchtrennt, geschliffen, gereinigt. In der Holzwerkstatt entstehen aus Deckel und Verschlüsse aus Holz, in die traditionelle Muster geschnitzt werden.

Upcycling.  Das soziale Unternehmen Chako stellt aus Altglas hübsche Lampen, Trinkgläser und Karaffen her.
Upcycling. Das soziale Unternehmen Chako stellt aus Altglas hübsche Lampen, Trinkgläser und Karaffen her. Irene Zöch


Sogar der Tourismusminister Sansibars, Simai Mohammed Said, lässt es sich nicht nehmen, das neue Betriebsgelände zu ­besuchen. Kurz erklärt er, wie wichtig der Tourismus für die Insel sei – und ein Weg aus der Armut. Ausgehend von den vielversprechenden Nächtigungszahlen erhofft er sich für die nächsten Jahre großes Wachstum im Tourismussektor. Er schwärmt von der kleineren Nachbarinsel Pemba, „fast noch unberührt“. Dort wird ein Flughafen gebaut, Luxusresorts sollen entstehen. Für das noch ungelöste Müllproblem bittet er um Geduld. „Geben Sie uns Zeit“, sagt er. „In Europa wurde das Problem auch nicht über Nacht gelöst.“


In Stone Town will man aber nicht warten: Die Jugendlichen in den blitzblauen T-Shirts legen los mit ihrer Morgenroutine. Jeden Tag klappern sie vier Stadtstrände in Stone Town ab und klauben Müll auf. Riesige Mengen an Plastik spült das Meer an. Pro Tag sammeln sie nur auf ihren insgesamt vier Kilometer langen Abschnitten zwischen 500 und 700 Plastikflaschen – in der Woche kommen sie auf etwa zwei Kubikmeter Müll. Nach einer Stunde geht es ab in die Schule. Im Kawa-Training-Center, das Teil des TUI-Academy-Netzes ist, lernen die Jugendlichen mit Computern umzugehen, Reservierungsanfragen auf Englisch zu beantworten, erfahren von der Geschichte ihrer Insel und warum sie die Natur schützen sollen, von der sie leben.


In einem der Klassenzimmer erklärt die Gründerin des Kawa-Training-Centers, Suzanne Degeling – auch sie ist Niederländerin –, warum sie es so wichtig findet, junge Einheimische auszubilden. Denn der Großteil der rund 60.000 Jobs in den Hotels, Restaurants und Reiseagenturen wird von Nicht-Sansibarern besetzt. Der boomende Tourismussektor lockt Arbeitskräfte vom Festland Tansanias und aus ganz Ostafrika an, die besser ausgebildet sind und mehr Erfahrung haben. Die Locals würden bis jetzt nur wenig vom Boom profitieren. Das soll sich nun ändern.

Aufklärungsarbeit

Ein weiterer Grundsatz: Mindestens 50 Prozent der Studierenden müssen Mädchen sein. „Viele Eltern denken, ihre Töchter heiraten sowieso und brauchen deshalb nicht in die Schule zu gehen“, sagt sie. Oft sei viel Überzeugungsarbeit nötig, um mit Vorurteilen aufzuräumen: Die Tätigkeit im Hotel sei „schlechte Arbeit“, wo die Mädchen mit Alkohol in Kontakt kommen oder belästigt werden könnten. Suzanne Degeling und ihre Lehrerinnen gehen in die Dörfer, besuchen Eltern und erklären, erklären, erklären. Immer wieder komme es auch vor, dass Hotelmanager von Mitarbeiterinnen verlangen, ihre Hijabs abzulegen. Untragbar für die meisten Inselbewohnenden. Auch wenn schon kleine Mädchen in muslimischen Schulen ihren Kopf bedecken, gibt es ein völlig selbstverständliches Miteinander der Religionen und Kulturen.

WERKSTATT.  65 Prozent der Mitarbeitenden bei der Initiative Chako (Swahili: Deines) sind Frauen.
WERKSTATT. 65 Prozent der Mitarbeitenden bei der Initiative Chako (Swahili: Deines) sind Frauen. Irene Zöch


Vor einem unscheinbaren Wohnhaus in Stone Town drückt sich ein Grüppchen Touristen und Touristinnen herum. Im ersten Stock des Hauses hat einer von Sansibars berühmten Söhnen gewohnt: Freddy Mercury verbrachte hier acht Jahre seiner Kindheit. Nennenswerte Spuren hat der Queen-Sänger aber nicht auf Sansibar hinterlassen. Mit seinem freizügigen Lebensstil kann man hier wenig anfangen. Ein wenig stolz ist man aber schon auf ihn.

Auf einem kleinen Platz um die Ecke sitzen Männer beisammen und trinken würzigen Tee. „Jambo! How are you!“, rufen sie den Vorbeigehenden zu. „Danke, gut geht’s!“ Wie könnte es auf der paradiesischen Insel voller Leben auch anders sein.

Infos

Anreise: z. B. mit Edelweiss oder KLM direkt nach Sansibar City oder per Fähre von Daressalaam nach Sansibar City.
Unterkunft: TUI Blue Bahari: schönes Hotelresort an der Ostküste Sansibars, das auf Nachhaltigkeit setzt. tui-blue.com
Aktiv: Per Rad Sansibar erkunden mit Blue Bike,
bluebikeszanzibar.com; Stadtführungen Stone Town mit Guides vom Kawa Training
Center, zanzibarkawatours.com
Initiativen: TUI Care Foundation, tuicarefoundation.com; Upcycling-Unternehmen Chako, chakozanzibar.com

Compliance-Hinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung TUI Care Foundation.

("Die Presse Schaufenster" vom 31.03.23)

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