Junge Forschung

Wohin des Weges, kleines Molekül?

„Unsere Forschung ist nicht der Porsche vor dem neu gebauten Haus, sondern der Bagger, der die Baugrube ausgehoben hat“, gibt sich Kurzbach bescheiden.
„Unsere Forschung ist nicht der Porsche vor dem neu gebauten Haus, sondern der Bagger, der die Baugrube ausgehoben hat“, gibt sich Kurzbach bescheiden.Clemens Fabry
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Chemiker Dennis Kurzbach macht komplizierte biomolekulare Abläufe im Körper sichtbar. Diese Woche wurde er von der Akademie der Wissenschaften für seine Arbeit ausgezeichnet.

Ein Kühlschrank mit frostigen minus 272 Grad, darin ein starker Magnet, und in diesem wiederum eine Mikrowelle – ein solches in Österreich einzigartiges Gerät haben Dennis Kurzbach, stellvertretender Leiter des NMR-Zentrums an der Universität Wien, und sein Team gebaut. Das Kürzel NMR steht für Nuclear Magnetic Resonance, und den Forschenden geht es darum, die Bewegungen von Molekülen präzise und in hoher Auflösung zu beobachten und darzustellen – unter anderem mithilfe der Magnetfelder im Kühlschrank.

Viele kennen das Funktionsprinzip von Magnetresonanztomografie, bei der Ärztinnen und Ärzte dank solcher Magnetfelder unter anderem in Gewebe, Gelenke oder Blutgefäße „hineinschauen“ können. Kurzbach will aber mehr: „Mit unseren Verfahren lässt sich eine Bildauflösung von rund einem milliardstel Millimeter erreichen. Das ist genauer, als es mit jeglichem Mikroskop möglich wäre. Die Magnete, dazu die niedrige Temperatur und die Mikrowelle – all das wirkt zusammen, um die Bewegungseffekte der Moleküle zu verstärken und eine derartige Darstellungsgenauigkeit zu ermöglichen.“ Damit könne man komplizierte biomolekulare Abläufe sichtbar machen.

Neue Methoden entwickeln

Legt man etwa Proteine, die Brustkrebs auslösen können, in Kurzbachs Gerät, ließe sich anhand der Molekülbewegungen im Magnetfeld die Entstehung des Karzinoms besser verstehen. „Untersucht man hingegen einen DNA-Strang, könnte das dazu beitragen, die Prozesse bei der Weitergabe von Erbgut zu entschlüsseln.“ Die Suche nach Antworten auf solch konkrete medizinischen Fragestellungen überlässt der Arbeitsgruppenleiter am Institut für Biologische Chemie freilich anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Ich betreibe die Methodenentwicklung, entwerfe Geräte und deren Funktionsweisen. Unser Team findet also unter anderem heraus, wie man die Magnetfelder bei der Resonanztomografie am besten anlegt, um in möglichst kurzer Zeit möglichst aussagekräftige Bilder zu bekommen.“

Diese Grundlagenarbeit sei aufwendig, aber „unspektakulär“, gibt sich der gebürtige Deutsche bescheiden. „Unsere Forschung ist nicht der Porsche vor dem neu gebauten Haus, sondern der große gelbe Bagger, der die Baugrube ausgehoben hat.“ Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) weiß aber auch diese Tätigkeit zu schätzen: Sie zeichnete Kurzbach am Mittwoch mit dem Lieben-Preis aus, der seit 1863 – mit Unterbrechungen – herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Molekularbiologie, Chemie oder Physik würdigt.

Was dem „Familienmenschen“ (Eigendefinition) und Vater zweier Kleinkinder Sorgen bereitet, ist die Klimakrise. „Deshalb versuchen wir am NMR-Zentrum jetzt auch gezielt, Methoden zu entwickeln, die dazu beitragen, den Klimawandel zu stoppen und dessen Folgen abzuschwächen. Da kann es beispielsweise darum gehen, CO2-Filter zu verbessern, um klimaschädigende Emissionen zu reduzieren, oder auch darum, die Herstellung ,grüner‘ Materialien zu unterstützen. „Voraussetzung für Effizienz und Nachhaltigkeit solcher Materialien ist ein Wissen über deren atomare Strukturen“, sagt Kurzbach.

Dass der 39-Jährige an der Wiener Uni diesen Fragen nachgehen kann, verdankt er mehreren Zufällen. So wollte der im deutschen Bundesland Hessen aufgewachsene Philosophie- und Chemie-Absolvent eigentlich Lehrer werden, doch dann entdeckte er bei einem Aushilfsjob während des Studiums das Interesse für seinen jetzigen Tätigkeitsbereich. Bei einem Forschungsaufenthalt in Wien lernte er seine nunmehrige Ehefrau kennen, verbrachte mit ihr vier Jahre in Paris, und just als es wieder zurück nach Österreich ging, wurde an der Wiener Uni eine Professorenstelle ausgeschrieben. Kurzbach erhielt den Job. „Eines meiner Ziele ist es, zu ermöglichen, dass mithilfe von Magnetfeldern nicht nur Fotos, sondern auch Filme erzeugt werden, auf denen man verfolgen kann, was auf Molekülebene alles abläuft“, sagt er. „Das ist das Faszinierende an der Forschung: Sie hört nie auf.“ Oder, wie Kurzbach hinzufügt: „Wir baggern weiter.“

Zur Person

Dennis Kurzbach (39), ist Arbeitsgruppenleiter am Institut für Biologische Chemie sowie stellvertretender Leiter des Zentrums für Nuclear Magnetic Resonance an der Uni Wien. 2013 promovierte er im Fach Physikalische Chemie am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Der Habilitierung an der Pariser École normale supérieure folgte 2020 die Berufung zum assoziierten Professor in Wien.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2023)

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