Der ökonomische Blick

Wie die Corona-Pandemie Österreichs Immobilienmarkt beeinflusst hat

Die Presse/Clemens Fabry
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Wie haben sich Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Veränderungen in den Arbeitsbedingungen auf den österreichischen Immobilienmarkt ausgewirkt? Eine Bilanz.

Gut drei Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen: Wie haben sich Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Veränderungen in den Arbeitsbedingungen auf den österreichischen Immobilienmarkt ausgewirkt?

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

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Zu Beginn der Pandemie gab es verschiedenste Erwartungen, wie sich die veränderten Wirtschafts- und Lebensbedingungen wohl im Immobilienmarkt abzeichnen würden. Aus einer historischen Perspektive heraus war anzunehmen, dass die Beschränkung von persönlichen Kontakten sowie die erhöhte Unsicherheit - was Einkommen und zukünftige Möglichkeiten anbelangt - womöglich zu einem (kurzzeitigen) Einbruch der Immobilienpreise führen würden. Schließlich stellen Investitionen in ein Eigenheim üblicherweise die mit Abstand größte private Anschaffung im Leben dar und Unsicherheit jeder Art ist für solche Investitionen nachvollziehbarerweise nicht sehr förderlich.

Gleichzeitig bedeuteten Bewegungseinschränkungen für viele Menschen auch, dass andere übliche größere und kleinere Ausgaben verschoben oder schlicht ausgesetzt werden mussten: keine große Urlaubsreise, keine Konzert- und Restaurantbesuche, keine Schulveranstaltungen für den Nachwuchs, etc. Die Sparquote der Österreicherinnen und Österreicher stieg - auch aufgrund des Abfangens größerer Einkommensverluste durch den Staat - gerade in den ersten Monaten der Pandemie massiv an.

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Wie lang noch fallen die Immo-Preise?: Seit Ende 2022 fallen die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser. Wartend stehen sich Käufer und Verkäufer mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen gegenüber. Einer wird von seinen Wünschen abrücken müssen.

Werden Immobilien ein Problem für die Banken? Das Ende des Immobilienbooms fordert seine Opfer. Berichte über die Signa-Gruppe des Immobilienmoguls René Benko beunruhigen.

Homeoffice plötzlich nicht mehr wegzudenken

Die Bewegungseinschränkungen im Zuge der Lockdowns hatten jedoch noch andere Auswirkungen: Für den großen Teil der Beschäftigten, die einen nicht unwesentlichen Anteil ihrer Arbeit vom Schreibtisch aus erledigen, war es auf einmal möglich, ihre Arbeit weitgehend von zu Hause aus zu erledigen. Mehr und mehr Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bieten mittlerweile solche flexiblen Arbeitszeitmodelle an und Home Office ist für viele aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Doch nicht alle eigenen vier Wände eignen sich gleich gut dafür. Wenig Platz, keine Freiflächen oder eine schlechte Internetverbindung stellen keine guten Bedingungen für einen solchen Arbeitsstil dar.

Wer es sich also leisten kann, hat im Laufe der Pandemie möglicherweise damit spekuliert, die eigene Wohnsituation entsprechend zu verändern. All diese Effekte sehen wir auch am österreichischen Immobilienmarkt:

Nach einem deutlichen Einbruch der Immobilienpreise und der Anzahl an Transaktionen während des ersten bundesweiten Lockdowns (16. März 2020 bis 13. April 2020), der den ersten Schock der Pandemie widerspiegelt, ließen sich die Österreicherinnen und Österreicher danach nicht mehr stark von Lockdowns beeindrucken. Ganz im Gegenteil: Spätestens 2021 gingen die Preise durch die Decke - vermutlich befeuert auch durch die bis dahin noch extrem niedrigen Kreditzinsen. 

Die Abbildung zeigt Wohnimmobilienpreise in Österreich über den Verlauf der Pandemie als hedonischen Index. Die grauen Balken geben Lockdown-Perioden an. Die rote Linie zeigt den Preistrend vor der Pandemie, welcher als gestrichelte Linie hypothetisch fortgesetzt wird, hätten sich die Umstände nicht verändert.

Die Abbildung zeigt die monatliche Anzahl an Wohnimmobilienverkäufen.

Wie sieht es mit der Preisentwicklung von Immobilien aus, die nun diese verstärkt nachgefragten Freiflächen - einen Balkon, Garten, eine Terrasse oder Loggia - bieten? Wie erwartet hat dieses Segment besonders von den veränderten Umständen gewonnen, die Preissteigerungen für Immobilien mit Freiflächen fallen merkbar höher aus. Außerdem wurden die stadtnahen, aber doch eher ländlich geprägten Gegenden in Österreich attraktiver - was an besonders steigenden Immobilienpreisen ablesbar ist. Die monatlichen Indexzahlen für dieses Segment waren zwischen März 2020 und Dezember 2021 im Durchschnitt um zwei Prozentpunkte höher.

Die Abbildung zeigt die Immobilienpreisentwicklung in städtischen bzw. ländlichen Gebieten. Als “städtisch” werden urbane Groß- und Mittelzentren bezeichnet (basierend auf der Klassifizierung von Statistik Austria). Die Indizes wurden auf den Durchschnitt der ersten drei Monate der Pandemie (März-Mai 2020) normalisiert.

Folgekrisen bescherten Boom ein jähes Ende

Als Konsequenz folgte eine florierende Zeit für die Immobilienwirtschaft, die der Nachfrage kaum standhielt. Erst die Umwälzungen durch neue Kreditvergabekriterien, die Folgekrisen von Pandemie und Krieg - Lieferkettenprobleme, Arbeitskräftemangel, Inflation und damit einhergehende steigende (Immobilienkredit-)Zinsen - bescherten diesem außergewöhnlichen Boom ein jähes Ende.

Die Autorinnen

Anja Hahn ist PhD-Studentin am Department für Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftsuniversität Wien. In ihrer Dissertation befasst sie sich mit der Analyse von Immobilienmärkten. Als Data Scientist bei DataScience Service GmbH trägt sie darüber hinaus zur Pflege und Entwicklung von Bewertungsmodellen für Immobilien bei.

Sanela Omerovic ist Finanzmathematikerin und Statistikerin, und forscht als Postdoktorandin an der Wirtschaftsuniversität Wien und bei DataScience Service GmbH zu statistischen Modellen in der Immobilenbranche.

Sofie Waltl ist Assistenzprofessorin an der Wirtschaftsuniversität Wien und Research Fellow am Luxembourg Institute of Socioeconomic Research in Luxembourg. Ihre Forschung konzentriert sich auf Immobilien- und Mietmärkte sowie Ungleichheit und Verteilung.

Referenzen

Studie “Measuring COVID-19 Effects in the Austrian Housing Market Using Hierarchically Structured Hedonic Models” von Anja M. Hahn, Sanela Omerovic und Sofie R. Waltl basierend auf öffentlichen Corona-Daten und Immobiliendaten von DataScience Service GmbH. Die Studie wird durch den Jubiläumsfonds der OeNB finanziert.

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