Europatag

Von der Leyen nennt in Kiew Details zu neuem Sanktionspaket gegen Russland

Ursula von der Leyen besuchte am Europatag einmal mehr die ukrainische Haupstadt und Präsident Selenskij.
Ursula von der Leyen besuchte am Europatag einmal mehr die ukrainische Haupstadt und Präsident Selenskij.APA/AFP/SERGEI SUPINSKY
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Die EU-Kommissionspräsidentin trifft bei ihrem bereits fünften Ukraine-Besuch Präsident Selenskij. UNO-Generalsekretär Guterres erteilt Hoffnungen auf baldige Friedensverhandlungen eine Absage.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei einem Besuch am Europatag in Kiew die jüngsten Vorschläge ihrer Behörde für ein elftes Paket mit Russland-Sanktionen erläutert. Der Schwerpunkt des Pakets liege darin, die Umgehung der bereits erlassenen Strafmaßnahmen zu bekämpfen, erklärte sie in einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij. Dieser appellierte seinerseits an die EU, die versprochenen Waffenlieferungen zu beschleunigen.

"Meine Anwesenheit in Kiew heute, am 9. Mai, ist ein wichtiges Symbol", sagte von der Leyen nach ihrer Ankunft. Ihr bereits fünfter Besuch in der ukrainischen Hauptstadt seit Kriegsbeginn sei "auch ein Zeichen für eine entscheidende und sehr praktische Realität: Die EU arbeitet in vielen Fragen mit der Ukraine Hand in Hand". Die Ukraine sei "Teil unserer europäischen Familie", fügte sie hinzu. Sie begrüße "nachdrücklich die Entscheidung von Präsident Selenskij, den 9. Mai zum Europatag zu machen".

Verschärfung bestehender Transit-Verbote

Im geplanten elften Sanktionspaket soll zum Beispiel durch eine Verschärfung bestehender Transit-Verbote dafür gesorgt werden, dass bestimmte Hightech-Produkte oder Flugzeugteile nicht mehr über Drittstaaten nach Russland kommen. Zudem bestätigte von der Leyen den bereits am Freitag bekannt gewordenen Vorschlag für ein neues Instrument zum Kampf gegen Sanktionsumgehungen. "Wenn wir sehen, dass Waren von der Europäischen Union in Drittländer gelangen und dann in Russland landen, könnten wir den Mitgliedstaaten vorschlagen, diese Waren zu sanktionieren", sagte die frühere deutsche Verteidigungsministerin. Dabei solle aber klar sein, dass dieses Instrument als "letztes Mittel" und nur nach einer sehr sorgfältigen Risikoanalyse und nach Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten eingesetzt werden sollte.

Als drittes Element nannte von der Leyen ein Handelsverbot mit Unternehmen aus Russland und Drittstaaten, die Sanktionen bewusst umgehen. Über den Vorschlag der Kommission sollen an diesem Mittwoch erstmals die ständigen Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten in Brüssel beraten. Ziel ist es, das elfte Sanktionspaket noch in diesem Monat zu beschließen. Neben dem neuen Instrument für Exportkontrollen soll es unter anderem auch Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen umfassen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.

Selenskij drängt auf Beitrittsgespräche

Selenskij erinnerte von der Leyen bei der gemeinsamen Pressekonferenz daran, die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union zu beschließen. Es sei "längst an der Zeit", "eine positive Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu treffen". Bei ihrer letzten Ukraine-Reise gemeinsam mit Ratspräsident Charles Michel im Februar hatte von der Leyen der Ukraine volle Unterstützung für den Wunsch einer baldigen EU-Mitgliedschaft zugesagt - allerdings keine zeitliche Perspektive dafür gegeben.

Auch die von der EU zugesagte Artilleriemunition von "einer Million Granaten" werde unmittelbar auf dem Schlachtfeld benötigt, so Selenskij. Die Ukraine bereitet derzeit eine Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen vor, die nun offenbar kurz bevorsteht oder möglicherweise bereits läuft.

Zugleich prangerte Selenskij "inakzeptable" und "grausame" europäische Beschränkungen für ukrainische Getreideexporte an. "Jede Beschränkung unserer Exporte ist jetzt absolut inakzeptabel, weil sie die Kapazitäten des russischen Aggressors stärkt", sagte Selenskij. Er forderte Brüssel auf, die Beschränkungen "so schnell wie möglich" aufzuheben.

Streit um Getreide

Polen, Ungarn, die Slowakei und Bulgarien hatten Mitte April die Einfuhr von Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine untersagt. Sie begründeten den Schritt mit dem Schutz ihrer heimischen Produzenten. Von der Leyen hatte daraufhin Ende April ein zusätzliches millionenschweres Hilfspaket für osteuropäische Bauern zugesagt.

Von der Leyen zollte der Ukraine tiefen Respekt für deren Bemühungen um einen schnellen Beitritt zu EU. Das Land arbeite "unermüdlich und intensiv" daran, die Voraussetzungen für den Start von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen, sagte sie. Und dies trotz der Schwierigkeiten, Reformen in einem blutigen Krieg durchzuführen. "Für diese herausragende Arbeit möchte ich meinen tiefen Respekt zollen", so von der Leyen. "Sie wissen, dass Sie während des gesamten Prozesses auf unsere Unterstützung und unsere Expertise zählen können."

Eine erste Bewertung der aktuellen Reformanstrengungen der Ukraine wird die EU-Kommission nach den Angaben von der Leyens bereits im Juni mündlich an den Rat der Mitgliedstaaten übermitteln. Im Oktober soll es dann einen schriftlichen Bericht geben, auf Grundlage dessen dann eine Entscheidung über den Start von Beitrittsverhandlungen getroffen werden soll.

Guterres glaubt nicht, dass Friedensverhandlungen derzeit möglich seien

UNO-Generalsekretär António Guterres hat indes Hoffnungen auf ein baldiges Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eine Absage erteilt. "Ich glaube, dass Friedensverhandlungen im Moment leider nicht möglich sind. Beide Seiten sind davon überzeugt, dass sie gewinnen können", sagte Guterres im Interview der spanischen Zeitung "El País" (Dienstag). Russland sei "im Moment nicht bereit, aus den besetzten Gebieten abzuziehen". "Und ich glaube, dass die Ukraine die Hoffnung hat, sie zurückzuerobern." Die Wahrscheinlichkeit eines Atomwaffeneinsatzes bezeichnete er aber als "sehr gering". "Die chinesische Initiative war sehr wichtig, um zu betonen, dass eine nukleare Eskalation inakzeptabel ist."

Da die Aufnahme von Friedensgesprächen derzeit nicht möglich sei, konzentriere man sich darauf, "einen Dialog mit beiden Seiten zu führen, um konkrete Probleme zu lösen". Man arbeite dieser Tage intensiv daran, eine Verlängerung des bis zum 18. Mai laufenden Getreide-Deals zu erreichen. Dazu bereite man "ein Treffen der vier Parteien (Russland, Ukraine, die UN und die Türkei) in Istanbul" vor, sagte der frühere Ministerpräsident von Portugal.

In Kiew zeigte sich der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, verwundert über die Äußerungen. Frieden sei ihm zufolge gemäß der UNO-Charta durch einen Abzug der russischen Truppen vom ukrainischen Staatsgebiet erreichbar. Zugleich forderte der 51-Jährige einen Ausschluss Russlands aus dem Sicherheitsrat und den Vereinten Nationen.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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