Inhaftierter Ex-HDP-Chef Demirtaş rief Kurden auf, für Kılıçdaroğlu zu stimmen – trotz Vorbehalten gegen dessen Bündnis.
Istanbul. Selahattin Demirtaş ist seit mehr als sechs Jahren nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nicht einmal im Wahlkampf durfte der türkische Kurdenpolitiker Kundgebungen veranstalten, denn er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis von Edirne an der bulgarischen Grenze. Und doch wurde erwartet, dass der 50-Jährige Königsmacher bei der Wahl am Sonntag werden würde. Aus seiner Zelle heraus rief er die Kurden auf, trotz Bauchschmerzen den Oppositionskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu zu wählen, um Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu entmachten.
Seit Herbst 2016 sitzt Demirtaş hinter Gittern. Die Justiz wirft ihm vor, 2014 regierungsfeindliche Proteste provoziert zu haben, bei denen mehr als 50 Menschen starben. Erdoğan nennt ihn „Terroristen“. Der wahre Grund für Demirtaş' Haft ist laut dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, dass die AKP-Regierung den Kurdenpolitiker mundtot machen will. Demirtaş hatte die Kurdenpartei HDP für linksliberale Wähler geöffnet und so zur drittstärksten politischen Kraft des Landes gemacht. An der HDP-Spitze kämpfte der Anwalt aus der ostanatolischen Provinz Elazığ gegen Erdoğans Pläne zur Einführung eines Präsidialsystems.