Wie umgehen mit KI?

Wie soll man den Fortschritt regulieren?

Während KI-Skeptiker wie Liessman das Revival von Tafel und Kreide imaginieren, träumen andere von harter Regulierung.

Das Textgenerierungsprogramm ChatGPT zeigt uns gerade, wohin der Vormarsch der künstlichen Intelligenz führen kann. Besorgte Stimmen, wie die von Staatsoperndirektor Bogdan Roščić, sehen eine Grenze überschritten, „vielleicht eine fundamentale Veränderung dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein, der Realität erfassen und gestalten können muss“. Sogar KI-Apologeten wie Elon Musk und tausend andere fordern in einem offenen Brief ein Moratorium. Der IT-Pionier Geoffrey Hinton kehrte Google den Rücken.

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All diese Reaktionen auf ChatGPT (und ähnliche Programme) spiegeln die Verunsicherung wider. Während KI-Skeptiker wie Konrad Paul Liessmann das Revival von Tafel und Kreide imaginieren, träumen andere von „digitaler Souveränität“ und effektiven Regulierungsstrategien. Offen bleibt, mit welchen Zielen und wer als guter Regulator fungieren soll.

Da bringt sich Florian Tursky ins Spiel, qualifiziert durch ein Masterstudium für strategische Kommunikation und PR sowie ein Jahr Praxis als Staatssekretär für Digitalisierung. Er hat den Auftrag, die Digitalisierung voranzubringen. Je mehr davon, desto besser, so rasch wie möglich. Der in Vorbereitung befindliche EU-Artificial-Intelligence-Act kommt ihm nicht rasch genug, daher presche Österreich vor. Es soll „Frontrunner“ sein bei der Digitalisierung der Amtswege, der Ausstellung von Führerscheinen, dem digitalen Identitätsausweis, der digitalen Gesundheitsakte, dem KI-Gütesiegel et cetera. Dem 3G-Ausweis (QR-Code zum Nachweis des Coronastatus) folgte die ID-Austria als „schönes Beispiel“, wie immer mehr Personeninformation auf dem Smartphone zusammengeführt werden könne.

Was all das mit den Menschen macht, bedenkt der Technokrat nicht, ist er sich doch gewiss, dass „KI unser Leben besser, länger und gesünder machen wird“. Die Sorgen um Verlust von Arbeitsplätzen sind schon zu ihm durchgedrungen, doch holt er dagegen sein ganzes historisches Wissen hervor: „Jede technische Innovation hat dazu geführt, dass mehr Jobs entstehen, aber klar, sie werden sich transformieren“. Dass die Transformation selbst für die Wissensarbeit Dequalifizierung bedeuten, ja ein digitales Prekariat hervorbringen wird, ist ebenso wenig Thema wie der Verlust von Konzeptionsfähigkeit, die Entwertung von Orientierung, Analyse, Schreiben oder Übersetzen. Wenn nur die Ministerien ihre Digitalisierungsagenden vernetzen und digitale Bildung die Menschen auf die neuen Umstände vorbereitet, wird es schon gut gehen. Turskys deutscher Kollege Markus Richter, Chief Information Officer im Bundesinnenministerium, kämpft an derselben Front. Er setzt mit Digitalisierungsminister Volker Wissing auf das Onlinezugangsgesetz, um dem föderalen Behördendschungel mit einer bundeseinheitlichen Nutzer-ID ein Ende zu bereiten. Auch Tursky fordert eine eigene österreichische KI-Behörde.

Braucht es eine KI-Behörde?

Indes sollen die Erfolge, die der Quantensprung der Datenextraktion und KI-Verarbeitung unter dem Eindruck von Lockdowns, Kontaktverfolgung und Gesundsheitsmonitoring von 2020 bis 2022 ergeben haben, in einen potenziellen permanenten Ausnahmezustand von neuem Epidemiegesetz und Pandemieplan einfließen. Vorhaben wie der European Health Data Space (EU) und der Pandemievertrag der WHO geben die Rahmenbedingungen vor, und für Tursky ist das „politisch von Vorteil, weil es ihm und dem Gesundheitsminister Rückenwind“ gibt.

Wollen wir wirklich den Kopf in den Sand stecken, um demnächst von Algorithmen als „neue Menschen“ wiedergeboren zu werden?

Andrea Komlosy (geboren 1957) ist a. o. Univ.-Prof. am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Wien.

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