Rechtsstaatsstreit

EuGH verurteilt Polen: Millionen an Strafzahlungen werden fällig

FILE PHOTO: Demonstration outside Poland's Constitutional Tribunal building in Warsaw
FILE PHOTO: Demonstration outside Poland's Constitutional Tribunal building in WarsawREUTERS
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Die Justizreform verstößt gegen EU-Recht. Warschau muss sie ändern und bis zu 550 Millionen Euro zahlen.

Polens Regierung hat die Klage durch die EU-Kommission vom April 2021 ignoriert, die einstweilige Verfügung wenige Monate später großteils missachtet. Nun kommt auf die Warschauer Regierung nicht nur ein rechtliches Problem zu, sondern auch ein finanzielles. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Montag ein endgültiges Urteil über die 2019 erlassene polnische Justizreform gefällt. Die Richter sehen die Unabhängigkeit der polnischen Justiz nicht mehr ausreichend geschützt und zudem das übergeordnete EU-Recht gefährdet.

Ausdrücklich verweist der EuGH in seiner Rechtsprechung auf den Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2021, bei Verstößen gegen die einstweilige Verfügung zur Aussetzung der polnischen Justizreform pro Tag ein Zwangsgeld von einer Million Euro einzuheben. Dies wurde nach Rückzug einer Regelung zur Einsetzung einer politisch besetzten Disziplinarkammer im April dieses Jahres auf 500.000 Euro pro Tag herabgesetzt. In Summe sind das mittlerweile je nach Interpretation 290 bis 550 Millionen Euro. In der EuGH-Aussendung wird keine Summe genannt, es heißt nur: „Die Wirkungen dieser Beschlüsse enden mit dem heutigen Urteil, mit dem das Verfahren abgeschlossen wird. Die Verpflichtung Polens, die für die Vergangenheit geschuldeten Zwangsgelder zu zahlen, bleibt davon jedoch unberührt.“

Polen wird im Urteil daran erinnert, dass sich Mitgliedstaaten nicht unter Berufung auf innerstaatliche Bestimmungen von den Grundwerten der Union „lossagen können“. Außerdem sehe die polnische Justizreform vor, dass Richtern unrechtmäßig versagt wird, sich zur Prüfung der Unabhängigkeit der nationalen Gerichte an den Europäischen Gerichtshof zu wenden. Die geplante und dann suspendierte Disziplinarkammer sei mit EU-Recht ebenfalls nicht vereinbar.

Schutz persönlicher Daten

Der EuGH verurteilt auch eine Bestimmung, wonach Richter eine schriftliche Erklärung über ihre Mitgliedschaften in Vereinen, Stiftungen ohne Gewinnzweck und politischen Parteien abgeben müssen, die dann im Internet veröffentlicht wird. Diese Veröffentlichung, so der EuGH, sei geeignet, „die Richter der Gefahr einer unzulässigen Stigmatisierung auszusetzen“.

Polen muss nun dem Urteil unverzüglich nachkommen, andernfalls drohen noch höhere Strafzahlungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2023)

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