Minister: Eltern, Schule entscheiden über Gesundheit

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Für SPÖ-Minister Alois Stöger wird Jugendgesundheit vor allem in anderen Ressorts "gemacht": Probleme müssten durch mehr Förderung an Schulen, durch weniger Armut und mehr Hilfe für Eltern eingedämmt werden.

Wien/Pö. Die Datensammlung im Jahresbericht der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (siehe oben) erschüttern ihn: Österreichs Jugend liegt beim Rauchen, beim Trinken, beim Übergewicht, bei psychischen Störungen und bei der Gewalt international voran. Dem will SP-Gesundheitsminister Alois Stöger nun durch den „Kindergesundheitsdialog“ entgegenwirken: Schon seit 2010 arbeiten Experten an einem Katalog von Maßnahmen, die den Jüngsten im Gesundheitssystem zugutekommen sollen – darunter eigene Medikamente für Kinder.

Die Expertenrunden tagen noch. „Überall“ müsse künftig die Perspektive von Kindern – und ihre Gesundheit – mitbedacht werden, sagt Stöger im „Presse“-Interview. Die Probleme bei der Kindergesundheit sieht er aber weniger in seinem Zuständigkeitsbereich als vielmehr bei Eltern, in deren Armut oder Wohlstand sowie im Bildungssystem begründet. Stögers Ziel: Krankheiten von Kindern und Jugendlichen bestmöglich von ganz klein auf – ab der Schwangerschaft mit gesünderem Essen für die werdenden Mütter – zu verhindern.

„Gesamtschule ist gesünder“

In den Kindergärten mit dem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr wären die Bundesländer gefordert, ausreichend Spezialisten – vom Sozialbetreuer bis zur Logopädin – einzusetzen, um späteren Problemen etwa während der Schullaufbahn vorzubeugen.

Hier sieht Stöger durchaus noch Nachholbedarf. „Im Kindergarten lassen sich relativ früh Auffälligkeiten von Kindern erkennen. Wenn ein Profi hilft, dann kann man das Leid hintanhalten.“

Wichtig für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wäre auch eine bessere Schule. Nach der Vorstellung des SPÖ-Ministers ist dies (wenig überraschend) eine Gesamtschule für alle Zehn- bis 14-Jährigen: „Ich unterstütze alle Maßnahmen meiner Kollegin Claudia Schmied, die sich sehr bemüht, Strukturen aufzubrechen“, so Stöger. Eine Gesamtschule – und nicht nur eine Neue Mittelschule an allen bisherigen Hauptschulen – würde die intensivste Betreuung der Schüler garantieren. „Weniger zu selektieren“ sei gesünder.

Sorgen macht dem Minister auch die Armut vieler Eltern und ihrer Kinder in Österreich; laut Liga für Kindergesundheit leben hierzulande zurzeit 90.000 Kinder in „manifester Armut“. Ihre Bedürfnisse etwa nach gesunder Nahrung oder guter Kleidung seien kaum gedeckt. Wohlstand fördere die Gesundheit, sagt Stöger – hier liege Österreich international allerdings „sehr gut“. Kinder aus ärmeren Familien sind laut Liga auch eher von Gewalt betroffen.

Therapiestunden einklagen

Besteht der Verdacht auf Gewalt in einer Familie, sei die Jugendwohlfahrt noch mehr als bisher gefordert; bei Gewalt an Schulen sei dies ein schulpolitisches Thema, so Stöger. Werden Gewalt, Missbrauch oder andere Probleme für Körper und Seele von Kindern festgestellt, gebe es klare Zuständigkeiten – und einen rechtlichen Anspruch auf Betreuung, sagt der Gesundheitsminister Kritikern, die bemängeln, dass Therapieplätze oft erst nach Monaten frei seien. „Das kann man auch einklagen.“

Für sein Ressort kündigt Stöger neue Kampagnen gegen das Rauchen und Trinken von Alkohol unter Jugendlichen an: „Das tun wir alle viel zu viel. Nicht nur Kinder.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2011)

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