Vorratsdatenspeicherung: Wie schwer muss ein Delikt sein?

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Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Daten nur bei Straftaten freigegeben werden, die mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sind. Der ÖVP geht das nicht weit genug und die SPÖ widerspricht.

Wien/Pri. Es spießt sich wieder zwischen SPÖ und ÖVP – und dieses Mal geht es um die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die eigentlich schon seit 2009 umgesetzt sein sollte (siehe dazu obigen Bericht). Deren Ziel ist es, Verbindungsdaten von Telefon- und Internetkommunikation zu speichern, damit die Behörden bei Bedarf auf sie zugreifen können.

Konkret scheiden sich die Geister der Koalitionsparteien an der Frage, wie schwer ein Delikt sein muss, damit das Datenmaterial verwendet werden darf. Der Punkt wurde am Dienstag kurzerhand von der Tagesordnung des Ministerrats genommen und – vorerst – auf kommende Woche vertagt.

Im (umstrittenen) Gesetzesentwurf ist die rechtliche Situation folgendermaßen geregelt: Die Vorratsdaten müssen sechs Monate gespeichert bleiben und werden „ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von schweren Straftaten“ freigegeben. Und eine solche „schwere Straftat“ liegt erst dann vor, wenn eine „mehr als einjährige Freiheitsstrafe“ droht.

Genau dort setzt das ÖVP-geführte Justizministerium mit seiner Kritik an: Erstens sei diese Bestimmung vermutlich anfechtbar, weil der Widerspruch zwischen der Formulierung „schwere Straftat“ und der Mindeststrafe von einem Jahr zu groß sei. Zweitens würde das bedeuten, dass die Ermittler bei bestimmten Delikten keinen Zugriff mehr auf die Daten bekämen.

Denn bisher war dies schon bei einer Freiheitsstrafe ab sechs Monaten möglich. Dabei geht es der ÖVP vor allem um die Berücksichtigung von Kinderpornografie, auf die eine Freiheitsstrafe von lediglich bis zu einem Jahr steht.

„Staatsanwalt darf alles“

Die SPÖ weist diese Darstellung durch Infrastrukturministerin Doris Bures (in ihr Ressort fällt das Telekommunikationsgesetz, das für die EU-Richtlinie geändert werden muss) zurück – und verweist auf eine weitere Bestimmung im Entwurf: Dass nämlich Zugangsdaten unabhängig von den Regeln für die Vorratsdatenspeicherung verarbeitet werden dürfen, wenn dies von einem Staatsanwalt angeordnet wird. Und das, wird betont, gelte für „die Verfolgung aller Straftaten“.

Unterstützung erhielt Bures am Dienstag vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM): Ermittlungen wegen Kinderpornografie würden durch die neuen Bestimmungen keineswegs eingeschränkt. Die Befürchtungen des Justizministeriums würden im besten Fall auf einem Missverständnis beruhen, sagte BIM-Direktor Hannes Tretter in einer Aussendung. Bures ortet einen anderen Grund für die Unstimmigkeiten: Die ÖVP wolle, dass auch bei zivil- oder urheberrechtlichen Auseinandersetzungen auf Vorratsdaten zurückgegriffen werden könne. „Da“, sagt eine Sprecherin der Ministerin zur „Presse“, „sind wir klar dagegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)

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