Richtungsweisender Indikatorenstreit beim G-20-Gipfel

Die Exportweltmeister Deutschland und China stehen im Mittelpunkt der Diskussionen um die Indikatoren. Es geht um die Definition von Bewertungskriterien.

Indikatoren, Ungleichgewichte, Leistungsbilanzen - die zentralen Schlagworte beim Treffen der Finanzminister und Notenbanker der 20 größten Wirtschaftsmächte (G-20) klingen nach Akademikerkauderwelsch. In Paris gerieten sich die G-20-Staaten in die Haare über weitreichende Fragen, die auf die langfristige Stabilität der Weltwirtschaft abzielen. Denn diese Diskussion ist politisch hochbrisant. Das Gerangel mit China und Deutschland im Mittelpunkt überschattete den Beginn der französischen G-20-Präsidentschaft.

Parameter für Risikoermittlung als Basis

Ziel der G-20 ist es, längerfristige Fehlentwicklungen in der Weltwirtschaft zu verhindern, die Währungs- und Handelskriege sowie Schuldenkrisen auslösen können. Deshalb müssen die G-20 Staaten in einem ersten Schritt eine Liste von wirtschaftlichen Daten beschließen, anhand derer die Risiken ermittelt werden. Diese Parameter jedoch stellen die Basis für weitere Beratungen dar, in denen es um das Abstellen von Fehlentwicklungen geht. In der Folge geht es um die äußerst brisante Frage, welche Konsequenzen man aus der Analyse zieht: Reichen Leitlinien, oder Empfehlungen - oder müssen sie sich an Vorgaben halten? Drohen also handfeste Eingriffe in die Wirtschaftspolitik durch die Gemeinschaft der anderen G-20-Länder?

Exportkaiser verursachen Ungleichgewicht

Dass Deutschland und China in Paris besondere Vorsicht an den Tag legten, ist nicht verwunderlich. Die beiden Länder werden international kritisch betrachtet, da sie als die beiden führenden Exportnationen ganz kräftig vom internationalen Waren- und Leistungsaustausch profitieren. Ihre hohen Überschüsse in Leistungs- und Handelsbilanz sind das Spiegelbild von hohen Defiziten in anderen Ländern, namentlich den USA. Ökonomen sehen darin ein klassisches Ungleichgewicht. Um diese Unausgewogenheit zu begrenzen, schlugen die USA im vergangenen Jahr in der G-20-Gruppe konkrete Vorgaben vor. Demnach sollten Überschüsse und Defizite in der Leistungsbilanz auf maximal vier Prozent der Wirtschaftsleistung beschränkt werden. Der Vorstoß scheiterte im ersten Versuch - nicht zuletzt am Widerstand Chinas und Deutschlands. Die beiden fürchten nun offenbar, dass der US-Plan in der G-20-Debatte über Indikatoren für Fehlentwicklungen wiederaufleben könnte.

Unterbewerteter Yuan bringt Vorteile für China

Aber Deutschland und China marschieren nicht immer gemeinsam. Die deutschen Überschüsse im Handel sind, so argumentiert Finanzminister Wolfgang Schäuble, nicht auf eine gezielte staatliche Wechselkurspolitik, sondern auf die Wettbewerbsstärke der heimischen Unternehmen zurückzuführen. Zudem hat Deutschland für Wechselkursmanipulationen gar nicht mehr den Hebel, denn die Währungspolitik der EZB ist europäisch.

Ganz anders sieht das bei China aus. Das Land verficht eine staatlich gelenkte Wechselkurspolitik. Unter Experten gilt die Landeswährung Yuan Renminbi als künstlich unterbewertet. Damit will die Regierung in Peking zum Leidwesen der ausländischen Konkurrenz die chinesischen Exporte ankurbeln.

Deutschland möchte mehrere Parameter

Dieser Hintergrund erklärt die Unterschiede in den Positionen beider Länder im Indikatoren-Streit der G-20. China möchte am liebsten die währungsbezogenen Kriterien Wechselkursentwicklung und Währungsreserven aus der Betrachtung ausnehmen. Peking fürchtet, in die Sünderecke gestellt zu werden. Zudem soll der für China unvorteilhafte Indikator des Leistungsbilanzsaldos durch den zuletzt etwas günstigeren Handelsbilanzsaldo ersetzt werden. Deutschland dagegen beharrt darauf, dass nur eine Gesamtschau aus den fünf vorgeschlagenen verschiedenen Elementen - dazu gehören ferner die Budgetqualität und die privaten Sparquoten - ein zutreffendes Bild der Stabilitätsgefahren abgibt, wie Schäuble deutlich machte.

(Ag.)

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