Jeff Bridges: Wenn Faulheit siegt

Schauspieler Jeff Bridges wurde oft Mangel an Ehrgeiz nachgesagt. Im Interview erzählt er, warum seine Karriere gerade im fortgeschrittenen Alter so aufblüht.

Man könnte behaupten, dass nur ein ganz besonderer Menschenschlag das Westerngenre liebt. Ein Mensch, der einen Revolver von einer Winchester unterscheiden kann, das Wort „Partner“ aus einem Mundwinkel gurgelt und „Spiel mir das Lied vom Tod“ als Handyklingelton verwendet. Aber was sollte alle anderen dazu bringen, ausgerechnet das Remake eines alten John-Wayne-Westerns anzuschauen?

Ein guter Grund dafür ist Jeff Bridges, der Meister der Mindestleistung. Dem 61-jährigen Oscar-Gewinner wurde in seiner über 40 Jahre dauernden Karriere oft vorgeworfen, dass es ihm an Volumen fehle, dass seine Karriere trotz, nicht wegen seiner Persönlichkeit gereift sei, ein klarer Fall von Talent schlägt Faulheit. Eine Tatsache, die Bridges weder leugnet noch ihn sonderlich stört. „Einer der Gründe, warum ich mich immer geweigert habe, eine zu starke Persönlichkeit zu entwickeln, war der, dass ich dachte, das Publikum könnte sich mich nicht in anderen Rollen vorstellen. Mittlerweile denke ich mir, ich kann genug Material vorweisen, dass die Filmemacher wissen, dass ich noch zu anderen Protagonisten fähig bin. Also mache ich mir da nicht mehr so viele Sorgen.“

Sein Talisman: Vaters Uhr

TIPP

Diese Entspanntheit, die er mit seinem wohl bekanntesten Protagonisten „Dude“ (aus dem Coen-Brüder-Film „The Big Lebowski“) teilt, hat ihm nicht geschadet. Bevor er letztes Jahr für „Crazy Heart“ endlich den Oscar gewann, war er bereits viermal nominiert worden. „Es ist wundervoll, wenn deine Kollegen dir ein ,Gut gemacht!‘ zukommen lassen. Das fühlt sich großartig an. Aber die Lorbeeren haben mich nie motiviert, es ist fast das Gegenteil, ein höherer Bekanntheitsgrad macht meinen Job nur schwerer. Anonymität erlaubt es, zu schauspielern, an Rollen etwas anders heranzugehen. Ich arbeite noch daran.“

Der Film, der ihm in diesem Jahr eine weitere Nominierung eingebracht hat, ist besagter Western, „True Grit“, in dem Jeff Bridges den US-Marshall Rooster Cogburn spielt, eine Rolle, die zuletzt von John Wayne dargestellt wurde. Eine einschüchternde Vorstellung für jeden Schauspieler: „Ich wechsle von sehr aufgeregt zu sehr nervös, was mein Bezug zu so ziemlich allen Dingen in meinem Leben ist.“

Nerven hin oder her, „True Grit“ ist der kommerziell erfolgreichste Western aller Zeiten. True Grit vereint Bridges wieder mit den Coen-Brüdern und erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das den speckbäuchigen, abstoßenden Cogburn anheuert, um sich an dem Mörder ihres Vaters zu rächen. Sie wird gespielt von der ebenfalls nominierten Hailee Steinfeld. „Ich war so beeindruckt von ihrem Talent und ihrem Benehmen. Hailee ist ein interessanter Widerspruch in sich: Sie scheint oft sehr reif und in sich ruhend. Ich denke, das liegt daran, dass sie nicht versucht, älter zu wirken, als sie ist. Sie war 13, als wir den Film drehten.“

Preisverleihungen machen Bridges nervös, sein Talisman gegen angespannte Nerven sind seine Frau Sue und die Armbanduhr seines Vaters, Lloyd Bridges, der 1998 starb. Jeff Bridges spricht unverblümt darüber, dass er seinem Vater und dessen berühmten Namen einen guten Teil seiner Karriere verdankt. „Mein Vater hat mir die ganzen Grundlagen beigebracht, wie man es so aussehen lässt, als ob alles zum ersten Mal geschehe, und vor allem hat er mir seine Freude an der Arbeit weitergegeben. Ich bin sehr glücklich, dass ich in das Familiengeschäft eingestiegen bin, aber das alles hat auch einen Nachteil. Der Sohn einer berühmten Person zu sein ist kein Honiglecken – als Kind möchtest du als du selbst gemocht werden, nicht wegen deiner Eltern. Du möchtest es selbst schaffen, deine eigenen Ziele verfolgen, dein eigenes Talent auf deine eigene Art einsetzen.“

Mit zunehmendem Alter erfüllt Bridges sich sämtliche Wünsche und beschreitet neue Karrierepfade. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ lautet sein Motto. Er arbeitet an seinem zweiten Album, stand soeben neben Elton John und Leon Russell auf der Bühne, veröffentlichte ein Buch mit Fotografien und arbeitet für seine Hilfsorganisation „No Kid Hungry“, die Kinderhunger in Amerika bis 2015 ausmerzen möchte. „Meine Kreativität äußert sich auf verschiedenste Weise. Ich fühle mich vom Weg des geringsten Widerstandes angezogen. Ich mache immer das Naheliegende: Wenn ich nicht von Kameras umgeben bin und ich finde einen Packen Papier und einen Bleistift, dann mache ich mich an das heran. Und wenn ich ein bisschen Lehm finde, dann spiele ich damit herum. Eine Gitarre, ausgezeichnet, ich mache Musik. Es liegt wohl in meiner Natur.“

True Grit ab 25. 2. im Kino

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