Obsorgen statt sich sorgen

Ob Politiker wissen, worüber sie reden? Den Eindruck hat man beim Sorgerecht nicht immer. Zu sehr werden auf beiden Seiten Emotionen geschürt und Sorgen geweckt.

Kommentar

Ob Politiker wissen, worüber sie reden? Den Eindruck hat man beim Sorgerecht nicht immer. Zu sehr werden auf beiden Seiten Emotionen geschürt und Sorgen geweckt. Nüchtern betrachtet hat die Novelle ihre Berechtigung, wenngleich bestimmte Punkte gesichert bleiben müssen. Unbestritten richtig ist das Antragsrecht für uneheliche Väter auf Obsorge. Das Stellen eines Antrags heißt ja nicht, dass der Vater recht bekommt. Ein Richter muss entscheiden, ob Vater oder Mutter oder ob sich gar beide am besten ums Kind sorgen.

Heikler ist die gemeinsame Obsorge nach der Scheidung. Diese gibt es schon jetzt im Gesetz. Sie soll künftig aber auch verfügt werden können, wenn die Scheidung strittig war. Gegen die Novelle wird vorgebracht, dass Leute, die sich nicht über eine Scheidung einigen können, auch nicht beim Kind einig werden. Aber Emotionen können nach der Scheidung auch wieder abkühlen. Und wenn es gar nicht klappt, dann liegt es ohnedies wieder am Richter, einen Elternteil allein mit dem Sorgerecht zu betrauen. Überdies berichten Anwälte, dass momentan das Sorgerecht gern als Druckmittel verwendet wird, um beim Scheidungsvergleich insgesamt Vorteile zu lukrieren. Auch das soll nicht sein.

Garantiert muss bleiben, dass gewalttätige Menschen nie ein Sorgerecht erhalten. Aber „normalen“ Eltern kann man die gemeinsame Obsorge zumuten. Man muss sich nicht lieben, um zu zweit Entscheidungen treffen zu können. Das sollten gerade Mitglieder dieser Koalition wissen.


philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2011)

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