Sorgerecht bleibt Sorgenkind: Keine Einigung bei Gipfel

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Weder in der Arbeitsgruppe noch in der Koalition gibt es Konsens beim Sorgerecht neu. Ein Gespräch zwischen Justizministerin Bandion-Ortner (ÖVP) und Frauenministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) soll Klarheit bringen.

Wien. Planmäßig gescheitert. So könnte man das Ergebnis der Familienrechtsarbeitsgruppe, die am Montag zum letzten Mal tagte, auf den Punkt bringen. Unter den 40 Mitgliedern der Arbeitsgruppe befanden sich schließlich auch Vertreter von Frauen- und Männerorganisationen. Die Standpunkte waren daher derart unterschiedlich, dass eine Einigung schlicht unmöglich war.

Brisanter ist aber, dass auch die Koalitionsparteien von einer Einigung bei den Knackpunkten nichts wissen wollen. Abhilfe soll nun ein klärendes Gespräch zwischen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und ihrem SPÖ-Widerpart, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, schaffen. In den nächsten Tagen werde man Heinisch-Hosek einladen, erklärt man im Justizministerium der „Presse“.

Und das sind die Eckpfeiler des Entwurfs von Bandion-Ortner, über den gestern noch einmal in großer Runde debattiert wurde.
Gemeinsame Obsorge nach der Scheidung: Diese Frage stellt den größten Streitpunkt dar. Momentan muss bei einer strittigen Scheidung auch ein Urteil gefällt werden, wem die Kinder zugesprochen werden. Bandion-Ortner möchte hingegen, dass immer beide Elternteile das Sorgerecht behalten. Erst wenn sich in der Praxis dann zeigt, dass die gemeinsame Obsorge nicht funktioniert, soll das Kind dem einen oder anderen Elternteil zugesprochen werden. Befürworter der Novelle verweisen darauf, dass so die Kinder aus dem unmittelbaren Scheidungskrieg rausgehalten werden könnten. Und dass die Eltern dem Kind zuliebe zunächst einmal die gemeinsame Obsorge probieren sollten.

Gegner der Novelle wie Frauenministerin Heinisch-Hosek meinen hingegen, dass die gemeinsame Obsorge nicht funktionieren kann, wenn sich die Elternteile schon über die Scheidung nicht einig seien. Und schließlich könnten die beiden Eltern auch jederzeit freiwillig ein gemeinsames Sorgerecht vereinbaren.
Mehr Rechte für ledige Väter:In diesem Punkt ist Österreich unter Zugzwang. Anfang Februar wurde man vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, weil die geltenden Gesetze uneheliche Väter zu sehr benachteiligen. Momentan dürfen uneheliche Väter nämlich nur zusammen mit der Mutter einen Antrag auf gemeinsame Obsorge stellen. Das machen aber die wenigsten. Geht später die Beziehung in die Brüche, hat der Vater ein Problem: Er darf bei Gericht nämlich nicht einmal einen Antrag stellen, um prüfen zu lassen, ob das Kind nicht bei ihm besser aufgehoben wäre.

Bandion-Ortners Entwurf sieht ein solches Antragsrecht vor. Sodann würde das Gericht entscheiden, wer mit dem Sorgerecht betraut wird. Heinisch-Hosek hingegen will das Antragsrecht nicht allen Männern gewähren. Dieses soll ihrer Ansicht nach an Kriterien geknüpft werden, etwa daran, dass der Vater eine gewisse Zeit im gleichen Haushalt mit dem Kind gelebt hat.
•Andere Punkte im Entwurf sind weniger umfehdet. So soll es raschere Besuchsregelungen geben, auch eine Mindestbesuchszeit bei Schulkindern ist geplant. Vorgesehen ist weiters, dass ein Gericht für die Eltern eine Mediation anordnen kann.

Inkrafttreten sollen die Neuerungen Anfang 2012, freilich nur, wenn sich die Koalition einigt. Bandion-Ortner betonte am Montag jedenfalls, dass nach Rücksprache mit Heinisch-Hosek Änderungen im Entwurf denkbar seien. Man brauche aber eine rasche Lösung.

Auf einen Blick

Der EntwurfBandion-Ortners sieht vor, dass beide Elternteile nach der Scheidung zunächst einmal automatisch das Sorgerecht über das Kind behalten. Für die bisher weitgehend rechtlosen unehelichen Väter soll es ein Antragsrecht geben: Ein Gericht müsste sodann entscheiden, wem das Sorgerecht zukommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2011)

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