Sarajevo: Protest gegen Vorgehen Wiens

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Tausende versammelten sich in der bosnischen Hauptstadt, um gegen die von der bosnische Staatsanwaltschaft geplante Auslieferung des in Österreich verhafteten Ex-Generals zu demonstrieren.

Sarajewo. Die Nachricht von der Festnahme des bosnischen und jugoslawischen Ex-Generals Jovan Divjak am Donnerstagabend in Österreich elektrisiert die Menschen in Sarajevo weiterhin. Sie sind darüber empört, dass ein Auslieferungsgesuch der serbischen Justiz aus Belgrad in Österreich ernst genommen wird.

Tausende demonstrierten am Samstag vor der österreichischen Botschaft. Mit Trillerpfeifen und Spruchbändern marschierten die Demonstranten dann durch das Stadtzentrum, um dem „Helden der Verteidigung Sarajevos“ während des Bosnien-Krieges (1992– 1995) ihre Unterstützung zu bekunden. Man hörte Rufe wie „Jovo, Jovo das Volk ist mit dir!“.

Eindrücklich schilderte ein Jugendlicher seine Motivation im bosnischen Fernsehen: „Wenn es Jovan Divjak nicht gegeben hätte, stünde ich wahrscheinlich nicht hier.“ Damit erinnerte der junge Mann an die Rolle Jovan Divjaks bei der Verteidigung der Stadt 1992 – an die ersten Kriegstage im April, als serbische Truppen die Stadt mit ihren 400.000 Einwohnern eingekesselt hatten und begannen, sie mit Artillerie zu beschießen. Jovan Divjak, selbst ein Serbe aus Belgrad, war damals Kommandeur der sogenannten Territorialeinheiten und trat sofort für die Verteidigung der Stadt ein. Er half, den Widerstand zu organisieren. Bewaffnete Zivilisten, Deserteure der jugoslawischen Armee, Territorial- und Polizeieinheiten bildeten die ersten Verteidigungsstreitkräfte.

Mitschuld an Übergriff?

Divjak „lief nicht zu den Muslimen über“, wie eine deutsche Presseagentur schrieb, sondern stemmte sich gegen die serbischen Nationalisten, die Bosnien erobern und mit Gewalt alle Nichtserben aus den eroberten Gebieten vertreiben und sogar vernichten wollten – was später vielerorts geschah.

Den serbischen Behörden geht es bei der Auslieferung Divjaks um die Verhaftung der Schuldigen bei den Schießereien in der Dobrovoljacka-Straße am 3.Mai1992. Damals wurden 42serbische Soldaten getötet und über 70 weitere verwundet. Belgrad wirft den damals führenden bosnischen Politikern und Militärs vor, für diesen Übergriff verantwortlich zu sein. Aus dem gleichen Grund wurde im Vorjahr der damalige Vizepräsident Bosniens Ejup Ganić in London festgenommen. Nach dreimonatigen Untersuchungen durch die britische Justiz aber musste er wieder freigelassen werden.

Die bosnische Staatsanwaltschaft leitete am Freitag ein Verfahren ein, um die Auslieferung Divjaks, der sich in Korneuburg in Auslieferungshaft befindet, an Sarajevo zu beantragen. Laut dem bosnischen Botschafter in Österreich, Haris Hrle, hat man bereits Gespräche mit Anwälten, die im Fall Divjak engagiert werden sollen, aufgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2011)

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