Kärnten ist nicht Bosnien: Slowenen auf dem Scheideweg

Gastkommentar. Ohne die Zustimmung des Rats der Kärntner Slowenen wäre jede Lösung nur ein parteipolitischer Erfolg, aber kein staatspolitischer.

Wir – also der Rat – waren uns nicht bewusst, dass die jetzt präsentierten Eckpunkte schon vor fünf Monaten zwischen Ostermayer, Dörfler, dem Abwehrkämpferbund und den betroffenen Bürgermeistern ausgemacht waren.“ Einem Diplomaten und Politiker sollte es nicht passieren, dass er ein solches Eingeständnis machen muss. Valentin Inzko, Obmann des Rates der Kärntner Slowenen, Hoher Vertreter der Vereinten Nationen in Bosnien und dort mit unbeschränkter Machtfülle ausgestattet, hat sich in der österreichischen Innenpolitik verheddert. In Bosnien steht er quasi als Richter über der Politik und den Parteien, in Österreich ist er Partei und Beteiligter an einem äußerst schwierigen politischen Prozess.

Inzko sagte nicht wörtlich, dass er sich getäuscht oder hintergangen fühlt, man kann es aber aus seiner Formulierung heraushören, und seine Körpersprache und Einsilbigkeit während der letzten Tage sind kaum anders zu verstehen. Zumindest scheint er sich vor vollendete Tatsachen gestellt zu sehen. Er ist zwischen der Entschlossenheit seiner politischen Gegenüber und der Starrköpfigkeit mancher in seiner eigenen Organisation beinahe aufgerieben worden.

Schwierig zu führender Rat

Von den drei Verbänden der Kärntner Slowenen ist der Rat der bei Weitem größte und wichtigste. Der früher den Tito-Kommunisten zugeneigte Zentralverband hat einige Bürgermeister in seinen Reihen, die erst 2003 gegründete Gemeinschaft der Kärntner Slowenen unter Bernard Sadovnik, einem ehemaligen Ratsobmann, blieb eine Splittergruppe. Der Rat ist die älteste der drei Organisationen, er wurde 1949 als Vereinigung der katholischen slowenischen Bevölkerung gegründet und vertrat damit die große Mehrheit der Volksgruppe.

Der Rat ist schwierig zu führen und nahm in den letzten Jahren in Volksgruppenanliegen eine durchwegs entschiedenere Linie ein als die beiden anderen Verbände. Das kommt auch daher, dass viele seiner Mitglieder in ihren Familien Opfer sowohl der nationalsozialistischen Aussiedlungspolitik als auch des Terrors durch die Tito-Partisanen haben. Die Entdeckung neuer Massengräber mit Opfern der Partisanen in Slowenien in den letzten Wochen hat diese Wunden neu aufgerissen.

Inzko selbst kommt allerdings aus einer Familie, die immer die Hand zur Versöhnung und Verständigung ausgestreckt hat. Sein Vater, Inspektor für das slowenische Schulwesen, genoss deshalb auch außerhalb der Volksgruppe höchstes Ansehen in Kärnten. Er war über viele Jahre lang einer der beiden Protagonisten des deutsch-slowenischen Koordinationsausschusses der katholischen Kirche, der viele Konflikte im alltäglichen Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit geschlichtet hat. Gemeinsam mit Ernst Waldstein-Wartenberg hat er, kurz bevor der Konflikt mit dem „Ortstafelsturm“ 1972 einen Höhepunkt erreicht hat, ein Manifest der Verständigung verfasst, das bis heute Gültigkeit hat.

Die Einigung zwischen dem SPÖ-Staatssekretär und dem freiheitlichen Landeshauptmann am „schwarzen“ Rat und an seinem Obmann vorbei hat eine ganz spezifische Kärntner Bedeutung, und die kann Inzko schwer missdeuten. Für das „nationale“, freiheitliche Kärnten galt immer die Devise „Lieber rot als schwarz“. Das rot-blaue Einverständnis weist als Signal möglicherweise über Kärnten hinaus. Inzkos Bitterkeit könnte sich auch aus seiner Befürchtung erklären, dass die Slowenenverbände gar nicht gebraucht werden oder – noch schlimmer für ihn – die Zustimmung der beiden anderen der Politik als Legitimation genügt.

ÖVP wurde Erfolg nicht gegönnt

Vor fünf Jahren war die schwarz-blaue Regierung genauso weit gekommen und einer Lösung genauso nahe wie jetzt die rot-schwarze. Damals instrumentalisierte SPÖ-Klubobmann Josef Cap den Zentralverband und dessen Obmann Marjan Sturm, um eine Lösung zu verhindern, weil der ÖVP ein paar Monate vor der Wahl ein solcher Erfolg nicht gegönnt werden durfte. Das Nein Sturms reichte der SPÖ, um ihrerseits die Zustimmung zu verweigern.

Eine bleibende Frucht der damaligen Bemühungen war aber die Schaffung der „Konsensgruppe“, eine Idee Wolfgang Schüssels, die seither viel für die Verbesserung des Klimas und die Versöhnung der Volksgruppen getan hat. Zwei Vertreter der Slowenen, zwei von Kärntner Heimatverbänden und ein Historiker haben unermüdlich für das Zuschütten der Gräben aus der Geschichte und einen neuen Anfang geworben. „Prediger der Vernunft“ hat sie Hubert Patterer von der „Kleinen Zeitung“ genannt.

An dem Feilschen um einen Prozentsatz slowenischer Bevölkerung als Maßstab für das Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln ist auch der Verfassungsgerichtshof schuld, der eine Zehn-Prozent-Grenze festgelegt hat, für die es keine sachliche Begründung gibt. Die jetzt festgelegten 17,5 Prozent sind als Mittel zwischen zehn und 25 das Ergebnis eines bloßen Rechenexempels. 15 Prozent wären nicht weniger logisch. Der Prozentsatz erschwert es auch, Einzelfälle quasi auf dem Kulanzweg zu regeln, wie etwa Inzkos Heimatgemeinde Suetschach mit ausgerechnet 15,8 Slowenenanteil.

Slowenien ist keine Schutzmacht

Die Vertreter der Slowenen haben freilich einen taktischen Fehler begangen, wenn sie sich offiziell an die Regierung von Slowenien gewandt haben. Slowenien ist im Gegensatz zu dem, was es ständig beansprucht, keine Schutzmacht der Kärntner Slowenen nach dem Staatsvertrag, denn es ist nicht der Rechtsnachfolger des untergegangenen Jugoslawien. Die Vertreter der Kärntner Slowenen haben zwar insgeheim immer gute Kontakte zu Slowenien gepflogen, das aber klugerweise nie an die große Glocke gehängt.

Slowenien ist überdies kein guter Partner in Minderheitenfragen, denn es behandelt seine ungarischen und kroatischen Bevölkerungen keineswegs vorbildlich, ganz davon zu schweigen, dass es sich obstinat weigert, über Rechte für die wenigen noch verbliebenen Deutschuntersteirer oder Gottscheer auch nur zu reden. Jede Einmischung aus Laibach lässt überdies in Kärnten sofort die alten Reflexe gegen Jugoslawien und seine Annexionsabsichten wach werden.

Subtile Ironie der Geschichte

Die Stunde für die Lösung des Konflikts, dessen die meisten deutsch- und wohl auch viele slowenischsprechenden Kärntner längst überdrüssig geworden sind, ist günstig, und sie wird auch nicht vorbeigehen. Die Deutschkärntner schrecken sich nicht mehr vor slowenischen Ortstafeln, und die Slowenen wissen, dass Ortstafeln weniger wichtig für die Erhaltung der eigenen Identität als Schulen und Arbeitsplätze sind. Dass den Weg dazu ausgerechnet ein Landeshauptmann aus dem „nationalen Lager“ bereitet hat, ist eine subtile Ironie der Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2011)

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