Telefonieren wie in Star Trek

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das kann was, das Kleid: Kommunizieren per Knopfdruck auf den Pulli geht zwar noch nicht, multifunktionelle Smart Textiles führen der Mode aber ihre Zukunft vor Augen.

Von einem Business, das mit dem Versprechen perpetueller Rundumerneuerung wirbt, darf erwartet werden, dass es wie kein zweites die Zukunft ins Heute holt. Ganz so einfach tut sich die Mode aber nicht, denn häufig bleibt das Visionäre an einer futuristisch aufgemöbelten Oberfläche hängen. Ein Seitenblick auf die Ideen von Kostümdesignern für legendäre Science-Fiction-Produktionen ist bezeichnend: Jane Fonda wand sich als Barbarella zwar bauchfrei und latexumspannt durch diverse Eskapaden, ihre Outfits unterschieden sich aber kaum von gängigen Sixties-Utopismen. Das aufregendste Techno-Modedetail in Star Wars war das blinkende Schaltpult an Darth Vaders Brust – ansonsten setzte das Lucas'sche Filmepos ja eher auf den Retrolook. Verglichen damit sticht der Kommunikationsknopf am Pulli von Captain Kirks Nachfolger Picard ja als geradezu richtungsweisend heraus.

Zusatznutzen.
Denn wenn man sich heute im Bereich des „Wearable Computing“ bzw. sogenannter „Smart Textiles“ umsieht, geht es da nicht nur um schräge Formen für Bekleidung, sondern vielmehr um das Integrieren neuer Funktionen. Der ästhetische Aspekt rangiert auf einer Ebene mit der technologischen Innovation. Die Entwicklung von Prototypen erfolgt in Zusammenarbeit von Designern, Forschern und Handwerkern.

So skizziert es jedenfalls die Österreicherin Sabine Seymour, die in den USA studierte, sich seit den Neunzigerjahren in diesem Bereich bewegt und somit als echte Pionierin gelten kann. Mit ihrer Firma Moondial entwickelt sie nicht nur selbst Smart Textiles, sie wird auch von großen Marken als Consultant gebucht: Ihr Know-how ist gefragt, und weil sie gut vernetzt ist, traut man ihr zu, kompetente Teams zusammenzustellen. „In erster Linie geht es um die Entwicklung von 'meaningful applications', also Anwendungen, die nicht nur bestehende Funktionen übernehmen und einen Nutzen für den Träger darstellen.“ Wenig Freude hat Seymour mit Produkten, die kaum den bloßen Gadgetcharakter überwinden. Auch wenn gerade das für den Massenmarkt vorerst am ehesten interessant sein dürfte. „Aktuell gibt es in der Mode einen neuen Schub. Das hat einerseits damit zu tun, dass sich die Firmen fragen, wie sie sich in Zukunft positionieren werden, andererseits mit weggebrochenen Marktsegmenten, für die Ersatz gefunden werden soll.“

T-Shirts aus leuchtenden Textilien als Blickfang im Weihnachtsgeschäft oder Details wie bewegungsgesteuerte Leuchtelemente in Ballkleidern als Hightechaufputz (durchaus auch im Luxussegment) – in diese Richtung lässt sich kurzfristig denken. Traditionell herrscht in der Sportswear oder der Sicherheitsbekleidung größerer Bedarf an speziellen Ausrüstungen wie integrierter Sensorik und leitfähigen Fasern, mittlerweile tut sich aber auch in der Avantgardemode einiges.

Ein gutes Beispiel ist der Vorstoß des Linzer Designers Wolfgang Langeder. Er legte sein „konventionelles“ Modelabel Flor de Illusion auf Eis, um sich der Entwicklung von Smart-Textiles-Prototypen zu widmen, die unter dem Arbeitstitel „Utope Project“ firmieren. Damit hat Langeder auch den Nerv des innovationsorientierten Kreativförderprogramms aws impulse getroffen und erhält von dort Unterstützung für das Projekt, das er mit wissenschaftlicher Unterstützung des Berliner Fraunhofer-Instituts realisiert. Das Ergebnis soll „chamäleonhafte“ Kleidung sein, im Idealfall Teile, die auf Knopfdruck ihre Farbe verändern.

Mehr als Mode.
„Für mich ist irgendwann der Punkt gekommen, wo mir die Mode, wie ich sie erlebte, nicht mehr gereicht hat. Ich möchte etwas wirklich Neues machen, nicht mehr nur jedes halbe Jahr ein paar Kleinigkeiten in der Kollektion erneuern.“ So wandte sich Langeder einem technologiebasierten Ansatz zu. Nach intensiver Vorabeit ging er unlängst mit dem „Cybernomade Suit“ an die Öffentlichkeit, einem Businessanzug, der eingehende Anrufe oder Textnachrichten durch blinkende Leuchtelemente kommuniziert. Mittelfristiges Ziel, so Langeder, sei die Präsentation einer Herrenkollektion inklusive einiger Smart Textiles – die Serienreife ist erreicht, der Preis wird im deutlich gehobenen Segment angesiedelt sein (um die 2000 Euro für ein Sakko stellt Langeder in Aussicht). Bleibt bloß die Frage, wer das kaufen soll: „Viele reagieren anfangs skeptisch, aber wenn sie sehen, was das kann, verändert sich ihre Haltung. Ich habe meine Prototypen auch Japanern gezeigt, da war das ganz anders.“

Eher Richtung USA und Russland möchte Christian Bruns seine Fühler ausstrecken. Er stellte im Jänner während der Berlin Fashion Week die erste Kollektion seines mit Partnerin Brigitte Franken betriebenen Labels „Moon Berlin“ vor. Das Medienecho war groß, auch Prominente haben sich einzelne Teile ausgeborgt: „Da fehlt aber offenbar noch der Mut, denn die tragen zwar unsere Mode, schalten aber die Lichtelemente nicht ein.“ Die Frage nach möglicher Marktdurchdringung zu beantworten, das fällt auch Bruns schwer: „Meine Partnerin und ich haben lange in der Branche gearbeitet, da stoßen wir aber beide an unsere Grenzen – diesen Markt können wir noch gar nicht einschätzen.“

Zukunftsweisend.
Wie Sabine Seymour und Wolfang Langeder ist aber auch Christian Bruns überzeugt: In dieser Hightechmode steckt viel Zukunftsträchtiges. Und weil die Produktentwicklung in engem Zusammenhang mit dem Einsatz innovativer Textilien steht, betrifft das auch die Zulieferer. Renate Schuler, die gemeinsam mit Astrid Hofstetter an der Abteilung Textil der Kunstuniversität Linz ihre Studierenden Performances zum Thema „Future Perfect“ erarbeiten ließ, sieht die Entwicklung von innovativen Fasern als überlebenssicherndes Alleinstellungsmerkmal der europäischen Textilindustrie. Und der steht bekanntlich das Wasser bis zum Hals.

„Schon deshalb fände ich es sinnvoll, wenn man den Bereich Smart Textiles künftig verstärkt in den Studienplan integriert.“ Schließlich geht es um mehr als bloß futuristisch angehauchte Experimente – die Zukunft der Branche steht auf dem Spiel.

Future now

Future.Perfect
Performances von Studierenden der Kunstuniversität Linz/Textil, am 26.5. im Posthof Linz ab 20 Uhr

Avantex
Ein Smart-Textiles-Symposium am Rande der Techtextilmesse in Frankfurt, am 24. und 25.5.

Berlin Fashion Week
Moon Berlin präsentiert seine zweite Kollektion, vom 5. bis 9.7.

Fashionable Technology
Sabine Seymour referiert am 13.9. in Dornbirn bei der Jahrestagung des Fachverbands der Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2011)

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