USA: Tödlicher Tornado reißt Stadt entzwei

(c) AP (Mark Schiefelbein)
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Ein verheerender Wirbelsturm fordert in der Kleinstadt Joplin in Missouri mehr als 90 Todesopfer. Er zerstörte ein Krankenhaus, Kirchen und Schulen. Die Stadt gleicht einer Ruine. Der Notstand wurde ausgerufen.

Washington. Für Samstagabend, Schlag 18 Uhr, hatte eine christliche US-Sekte den Weltuntergang prophezeit. Für die Bewohner der Kleinstadt Joplin in Missouri traf die Apokalypse, beinahe auf die Minute exakt, einen Tag später ein. Viele bereiteten gerade ihr Sonntagsdinner zu, als sich eine verheerende Windhose näherte, die, in Regen und Hagel gehüllt, die Wetterforscher in falscher Sicherheit gewiegt hatte. Das Frühwarnsystem versagte.

Feuerwehrchef Mitch Randles wohnte der Abschlusszeremonie seines Sohnes an der örtlichen Highschool bei – nach seiner Rückkehr war sein Haus dem Erdboden gleichgemacht. Ein Bewohner erzählte dem lokalen TV-Sender, dass er in die heiße Badewanne gestiegen sei, als seine Hunde zu bellen anfingen und von dem Unheil gekündeten, bei dem er mit nacktem Schrecken davongekommen sei.

Entzweite Häuser

Dutzende Menschen hatten weniger Glück. Mehr als 90 Tote forderte der fatale Tornado, der am Sonntagabend mit Urgewalt über Joplin in einer Breite von einem Kilometer hinwegtoste und eine Schneise der Verwüstung hinterließ: in der Mitte entzweite Häuser, serienweise entwurzelte Bäume, wie Spielzeugkarossen herumgewirbelte Autos und ein Rettungshubschrauber, der auf dem Dach landete, ein heilloser Blechsalat. Die Fenster des Krankenhauses, deren Patienten in aller Eile in Sicherheit gebracht wurden, barsten, der Wirbelsturm riss Löcher in die Frontseite des Spitals.

Das Zentrum der Stadt hatte sich wie nach dem Einschlag einer Bombe innerhalb weniger Minuten in einen Trümmerhaufen verwandelt. Der Tornado habe die Stadt „entzweigerissen“, sagte Feuerwehrchef Randles. „75 Prozent sind zerstört“, schätzte die Rot-Kreuz-Helferin Kathy Dennis im ersten Schock. Kirchen, Schulen, Geschäfte gleichen Ruinen. Jay Nixon, der Gouverneur von Missouri, hat den Notstand ausgerufen. Die Nationalgarde hat Sonderkommandos in die 50.000-Einwohner-Stadt im Mittleren Westen in den Ozark-Bergen beordert, die nahe der Grenze zu Kansas liegt. Noch unter Flutlicht haben sich Einsatzteams in der Nacht zum Montag durch die Trümmer und den Schlamm gewühlt, um Verletzte und Tote zu bergen.

„Alles flog weg“

Jeff Lehr, ein Reporter des „Joplin Globe“, verschanzte sich in einem Schrank im Keller seines Hauses. „Ich hörte ein wütendes Geheul, die Fenster klirrten, Glas splitterte“, schilderte er die Sekunden des Schreckens im „Kansas City Star“. „Man konnte hören, wie alles wegflog. Der Sturm hat die Dächer abgerissen. Als ich wieder herauskam, war nichts mehr da.“

Der Sturm legte Stromversorgung und Telefonnetz lahm. Er löste Brände aus, aus zahlreichen Häusern stiegen schwarze Rauchsäulen auf. Auf einer zehnteiligen Skala stuften Tornadoforscher den Wirbelsturm mit einer Stärke von acht bis neun ein.

Mehr als 40 Tornados hatten nach Angaben des nationalen Wetterdienstes am Wochenende im gesamten Mittleren Westen der USA gewütet (s. Karte). Auch aus Kansas, Minnesota und Indiana wurden vereinzelt Todesopfer gemeldet. Die Tornadosaison, die in den USA üblicherweise erst im Frühsommer endet, hat heuer im Frühjahr so viele Opfer gefordert wie selten zuvor. Erst Ende April haben bei einer wahren Tornadoserie in den Südstaaten mehr als 350 Menschen ihr Leben gelassen. Besonders betroffen war die Stadt Tuscaloosa in Alabama mit allein mehr als 200 Toten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)

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