Bacher: Warum Faymann Genossen Zeiler verhindert

Gerd Bacher im November 2010, kurz vor seinem 85. Geburtstag.
Gerd Bacher im November 2010, kurz vor seinem 85. Geburtstag.(c) APA/BARBARA GINDL (Barbara Gindl)
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Rund um die anstehende Wahl des ORF-Generaldirektors wird der Republik aus niederer Gesinnung schwerster Schaden zugefügt. Wie lange lässt sich Österreich die Willkür der Kleingeister noch gefallen?

Die gegenwärtige Regierung genießt das geringste Ansehen aller Regierungen der Zweiten Republik. Ich habe sie alle gut gekannt. Diese Regierung beweist täglich, wie ersetzbar sie ist, weil die Regierten (noch) ohne sie ganz gut auskommen.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass bemerkenswerte Persönlichkeiten oder Medien ihre Missachtung kundtun. Was Andreas Treichl unlängst sagte – feig, blöd und ahnungslos – denkt die Mehrheit, obwohl sie schuld an diesem Befund ist. Sie hat diese Herrschaft gewählt.

Das Wort „blöd“ hätte ich weggelassen – nicht aus Höflichkeit, sondern, weil sie nicht zu blöde sind, an der Macht zu bleiben. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Zweitklassige bestellen Drittklassige; zurzeit sind es eher Drittklassige, die sich Viertklassige besorgen. Eliten gibt es keine mehr, sie sind zur Prominenz degeneriert.

Viele Medien sind nicht viel besser als die Politik. Man könnte auch für sie Treichls Sager heranziehen. An Präpotenz und Halbbildung sind sie den Politikern überlegen. Wie wäre sonst eine so wurschtige Öffentlichkeit zu erklären: Steuerzahler, die sich Jahr und Tag bieten lassen, was mit ihrem Geld angestellt beziehungsweise nicht getan wird.

Generalstau bei Großreformen

Der Begriff Reform ist zum Dauerschmäh verkommen, uneingelöste Versprechen zuhauf, Sozial- und Familienpolitik als Wählerbestechung, aber Generalstau in Sachen Großreformen: Die Goldhaubenpolitik der Landeshauptleute frisst Milliarden, mal neun heißt die teure Zauberformel, Gesundheit, Bildung, endlose Palaver, die an Ländern, Bünden, Gewerkschaften, Feigheit und Ahnungslosigkeit scheitern. Koalitionen nicht als IG-Reformen, sondern als Lebensversicherungen für querschnittsgelähmte Parteien.

Kennen Sie den Unterschied zwischen Japanern und Österreichern? Keinen, sagt der Österreicher. Auch wir haben Yin und Yang und wurscht.

Wir leben in einer Demokratiekrise. Demokratie ist von ihrem Personal abhängiger als jede andere Staatsform: In der Demokratie muss überzeugt werden, sie braucht Köpfe, Führer (zur Beruhigung: leader), nicht die Herrschaft des Durchschnitts und darunter.

Ein empörendes Beispiel, was sich primitive Parteipolitik erlauben kann, wird dieser Tage geboten: Eine der wichtigsten Führungsaufgaben des politischen und kulturellen Lebens soll neu geordnet werden. Die Wahl des Generaldirektors des ORF steht an. Zur Verfügung stünde – ohne Übertreibung – ein Weltklassemann, der seit Jahren erfolgreich Europas größtes TV- und Radionetz leitet.

Feige und unverschämt

Gerhard Zeiler sagte dieser Tage seine Bewerbung ab. Die Begründung nannte er in einem „Profil“-Interview: „Ich habe schon nach wenigen Gesprächen erkannt, dass es bei der Frage, wer der nächste ORF-Generaldirektor werden soll, in wesentlichen Teilen der Politik nicht darum geht, wer das Unternehmen am besten führen kann, sondern, wer willfährig parteipolitische Personalwünsche umsetzt.“

Die Feigheit, die diese Regierung kennzeichnet, wird nur noch von der Unverschämtheit des Bundeskanzlers übertroffen, der weiß, was er sich alles mit seiner Partei, seinem Koalitionspartner und den Österreichern leisten kann. Der Genosse Faymann verhindert den Genossen Zeiler. Er will den Genossen Wrabetz wiederhaben. Denn dieser hat schon ausreichend bewiesen, dass er zur Verfügung steht, wofür Zeiler nicht zu haben ist.

Es könnte einem ja egal sein, wie die Genossen miteinander umgehen, wenn nicht die Zukunft des ORF auf dem Spiel stünde. Gerhard Zeiler ist der Einzige, dem die Wiederherstellung des ORF zuzutrauen ist. Zwischen Zeiler und Wrabetz klafft ein Unterschied wie zwischen Kreisky und Faymann.

Viele einflussreiche Sozialdemokraten wissen das. Aber keiner schlägt mit der Faust auf den Tisch. Wo sind denn die Vranitzkys und Androschs, die Burgstallers und Voves, die Linksintellektuellen, die verlässlich in jeder Vergangenheit Widerstand geleistet hätten.

Und die ÖVP? Auf sie ist Verlass. Sie tat, was jeder politische Volksschüler vermeidet: Sie versuchte, Zeiler zum Kandidaten zu machen. Öffentlich! Statt dem Bundeskanzler hinter verschlossenen Türen anzubieten: Wählen wir gemeinsam einen Kandidaten, wir stimmen für einen Sozialdemokraten, wenn er Zeiler heißt und besser als alle anderen ist.

Furcht vor Bundeskanzler Zeiler

Noch nie zuvor stand der Beste so eindeutig fest, und den jeweils Besten zu wählen ist wohl der Auftrag des Rundfunkgesetzes. Stattdessen wurden und werden von bekannter Spitzenadresse alle möglichen Verleumdungen in Umlauf gesetzt, so zum Beispiel, dass Zeiler ein purer Kommerzialist sei, und dass er als Generaldirektor den ORF an Raiffeisen verscherbeln würde.

Blödsinnigeres ist gar nicht auszudenken: Als ob der ORF wie ein Würstelstand zu verhökern wäre und nicht alle zuständigen Gesetze verhinderten, dass ein Generaldirektor das ganze Unternehmen oder Teile von ihm freihändig verkaufen könnte.

Warum der Vorsitzende der SPÖ, der Bundeskanzler, den Generaldirektor Zeiler mit allen Mitteln verhindern möchte, hat neben den zwei oben genannten Unsinnigkeiten zwei Hauptgründe: Erstens will er weiterhin eine gefügige Geschäftsführung; zweitens fürchtet er nicht nur den unabhängigen Generaldirektor, sondern auch den Bundeskanzler Zeiler. Auch den könnte Zeiler besser.

Der Republik wird hier aus niederer Gesinnung schwerster Schaden zugefügt. Wie lange lässt sich Österreich die Willkür der Kleingeister noch gefallen?


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor

Gerd Bacher (*18.11.1925 in Salzburg) begann seine Journalistenkarriere 1946 beim „Salzburger Volksblatt“. Nach dem Wechsel nach Wien im Jahr 1954 war er Chefredakteur der Boulevardblätter „Bild-Telegraf“ und „Express“. Bacher war drei Perioden Generalintendant des ORF (zuletzt 1990 bis 1994). Dazwischen war er Chefredakteur des „Kurier“ und Herausgeber der „Presse“. Von 1974 bis 1978 war er Medienberater des damaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl. [APA/Barbara Gindl]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2011)

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