Nach Zeilers „Bußpredigt“: ÖVP will Kandidaten

(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Gerhard Zeilers klare Worte bei der Absage haben die ÖVP offenbar ermutigt, erst recht einen Gegenkandidaten zum SP-Favoriten Alexander Wrabetz aufzustellen. Genannt werden: Grabner, Grasl, Prantner, Scolik.

Am Montag der Vorwoche aß Gerhard Zeiler mit österreichischen Verlegern in St. Michael im Salzburger Lungau zu Mittag. Er wich Fragen zu seiner möglichen ORF-Kandidatur zwar höflich aus, erweckte aber den Anschein, er würde diese Aufgabe gern annehmen, auch um ein Sechstel seiner derzeitigen Gage als Boss der RTL-Gruppe. Keiner der anwesenden Verleger ahnte, dass Zeiler zu diesem Zeitpunkt bereits ein Interview mit „Profil“-Chefredakteur Herbert Lackner vereinbart hatte, in dem er der Politik sehr direkt ausrichten wollte, wieso er für den Posten des ORF-Chefs nicht zur Verfügung stehe.

ÖVP-Mediensprecher Karlheinz Kopf hatte an diesem Montag das Mittagessen mit Zeiler gar nicht mehr abgewartet, er war gleich nach seinem Referat zur Regierungsklausur am Semmering nachgereist. Vielleicht weil er dachte, Zeilers Kandidatur sei ohnehin so gut wie fix, die Stimmen der ÖVP im Stiftungsrat hätte er jedenfalls bekommen – obwohl Zeiler ein bekennender Sozialdemokrat ist. Umso härter traf die ÖVP am Samstag seine ORF-Absage; sie hatte auf den erfolgreichen RTL-Manager gehofft. Mangels eigener starker Kandidaten, sagen ÖVP-Gegner. Aus Interesse an der besten Lösung für den ORF, umschreiben es Vertreter der Volkspartei gern.

„Sicher nicht der einzige Bewerber“

Zwei Tage später, am gestrigen Montag, sah die Welt aber schon wieder ein bisschen anders aus. Zeilers harte Worte zur parteipolitischen Punzierung des ORF und die hämischen Reaktionen deutscher Zeitungen (die „FAZ“ schrieb von „kakanischen Strippenziehern“, die den „ORF-Posten längst verschachert haben“) haben die ÖVP angriffslustig und wagemutig gemacht: Sie will nun doch einen eigenen Kandidaten in Stellung bringen. Franz Medwenitsch, Sprecher der Bürgerlichen im ORF-Stiftungsrat, gab sich dazu, wie die gesamte ÖVP-Spitze, relativ bedeckt, wurde aber doch eindeutig. „Wrabetz wird mit Sicherheit nicht der einzige Bewerber für den ORF-Generaldirektorposten sein“, sagte er. Wann die ÖVP ihren ORF-Kandidaten bekannt geben wird, wollte er nicht sagen. Zeit hat sie theoretisch bis zum letzten Tag der Ausschreibungsfrist Ende Juli, die Partei weiß aber, dass es sinnvoll ist, den eigenen Kandidaten schon früher bekannt zu geben. Damit die Medien mithelfen, für ihn zu trommeln.

Mögliche ÖVP-Kandidaten wurden in den vergangenen Wochen einige platziert: etwa Michael Grabner. Der Medienberater u.a. der deutschen Holtzbrinck-Gruppe („Handelsblatt“, „Die Zeit“) sagte dem „Standard“ bereits Ende April, er stehe nicht für den Posten zur Verfügung. Immer wieder genannt werden zudem Richard Grasl, der jetzige kaufmännische Direktor des ORF, und Thomas Prantner, der jetzige Online-Direktor. Grasl kommt aus dem bürgerlichen Lager und wurde im Dezember 2009 von Erwin Pröll als Nachfolger von Sissy Mayerhoffer aus dem niederösterreichischen Landesstudio auf den Küniglberg geschickt.

Prantner hat mehrfach Interesse angemeldet, weil er wenig Chancen hat, in einer möglichen Wrabetz-II-Ära erneut einen Direktorenposten zu bekommen; er hat vor allem freiheitliche Unterstützer. Am Montag sagte er auf Anfrage: „Ich will und kann derzeit nichts ausschließen.“ Weiters genannt werden immer wieder Radiodirektor Karl Amon und der frühere RTL-Manager Hans Mahr. Erst seit Kurzem kursiert der Name Reinhard Scolik, jetziger ORF-Personalchef. Seine stärkste Fürsprecherin soll die ehemalige ORF-Chefin Monika Lindner sein.

In der ÖVP sieht man sich durch Zeilers Systemkritik jedenfalls darin bestätigt, dass der jetzige Generaldirektor eine Marionette der SPÖ sei. Die Partei habe ihn vor knapp zwei Jahren noch loswerden wollen und hält nun nur an ihm fest, weil er sämtliche Personalentscheidungen im Vorjahr nach ihren Vorstellungen durchgezogen habe.

Wrabetz: Kein Kommentar

Die Reaktionen auf Gerhard Zeilers ORF-Absage bildeten am Montag zwei Lager: das der Schweiger und das der Bedauerer. Zu den Schweigern gehörte etwa der Leiter des SPÖ-Freundeskreises im Stiftungsrat, Niko Pelinka. Er wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sagte er. Kein Kommentar gab der jetzige ORF-General Alexander Wrabetz zu den teils gegen ihn gerichteten Attacken von Zeiler im „Profil“ ab. „No Comment“ hieß es auch bei den Vertretern der Privatsender. Dass sich die Privaten über die Absage von Zeiler eher freuen, liegt aber auf der Hand. Der erfolgreiche Fernsehmacher hätte ihnen mit Sicherheit mehr Konkurrenz als Wrabetz gemacht.

Zeilers Absage bedauert indes Stiftungsrat Franz Medwenitsch: „Das ist gut für RTL, aber schade für den ORF und schade für Österreich.“ Den Zeiler-Verhinderern gehe es nicht um die Zukunft und nicht um die Unabhängigkeit des ORF. Ähnlich klingt der Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer, der zudem dafür plädiert, es möge ein zweiter aussichtsreicher Kandidat ins Rennen um den ORF-Posten gehen. Der grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher erklärte der Austria Presse Agentur, für ihn habe sich nie die Frage einer Zeiler-Kandidatur gestellt. Die grüne Stimme für den Amtsinhaber sei aber noch nicht ausgemacht.

Küberl: „Bemerkenswerte Analyse“ Zeilers

Caritas-Präsident Franz Küberl, nie verlegen um einen guten Sager, brachte es am Montag gut auf den Punkt. „Katholisch gesehen hat Zeiler natürlich eine Bußpredigt gehalten. Er ist ein Kenner von Land, ORF und der Politik und hat denen einen Spiegel vorgehalten“, so der unabhängige ORF-Publikums- und Stiftungsrat. Zeiler habe zudem eine „bemerkenswerte Analyse der europäischen Fernsehlandschaft“ abgegeben, sagte Küberl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gerd Bacher im November 2010, kurz vor seinem 85. Geburtstag.
Gastkommentar

Bacher: Warum Faymann Genossen Zeiler verhindert

Rund um die anstehende Wahl des ORF-Generaldirektors wird der Republik aus niederer Gesinnung schwerster Schaden zugefügt. Wie lange lässt sich Österreich die Willkür der Kleingeister noch gefallen?
Gastkommentar

Debatte über Qualität statt einer aufgeregten Inszenierung

Der ORF ist keine Zauberinsel, auf der sich Qualität auf Buh- oder Zuruf einstellt. Plädoyer für einen „Rundfunk der Gesellschaft“.
ORFWahl Buergerlichrechte Front gegen
Medien

ORF-Wahl: Bürgerlich-rechte Front gegen Wrabetz?

Die FPÖ appelliert an die ÖVP, gemeinsam gegen Generaldirektor Wrabetz zu stimmen. Die Wahl könnte auch Testlauf für eine Ampel-Koalition sein, meinen politische Beobachter.
ZeilerAbsage schade fuer
Medien

Zeiler-Absage "schade für den ORF"

Die bürgerlichen Stiftungsräte bedauern, dass Gerhard Zeiler nicht nur ORF-Wahl antritt. Im ORF kursieren indes Personalgerüchte.
Leitartikel

Der kopflose Umgang mit dem ORF muss jetzt ein Ende haben

Gerhard Zeilers Worte zur heimischen ORF-Politik werden der SPÖ noch lange wehtun. Sie lenkt lieber vom Thema ab. Und die ÖVP sucht den Gegen-Wrabetz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.