Kelimbetov: „Die Banken waren unverantwortlich“

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Der kasachische Wirtschaftsminister Kairat Kelimbetov, im Interview. Er spricht über die Sünden der Bank Austria, große Privatisierungspläne und den Ausweg aus der Rohstofffalle.

Die Presse: Der Bank Austria hat das Engagement in Kasachstan die Bilanz 2010 vermasselt. Aber nicht nur die ATF-Bank, sondern der ganze Sektor wurde von der Finanzkrise sehr früh und sehr hart getroffen. Warum, und wer trägt die Schuld daran?

Kairat Kelimbetov: Vor allem die Banken selbst. Sie haben sich unverantwortlich verhalten! Kasachstan hatte vor der Krise ein sehr gutes Länderrating. Die Banken konnten sich weltweit billiges Geld besorgen. Diese kurzfristigen Kredite investierten sie in langfristige Immobilienprojekte. So schafft man eine klassische Blase! Die Wohnungspreise waren so hoch wie in New York. Dann brach der Ölpreis ein und mit ihm die Wirtschaft. Über Nacht konnten die Schuldner ihre Kredite nicht mehr bedienen, und die Institute hatten ein Problem – auch die ATF-Bank. Da haben offenbar die internen Kontrollen versagt.

Staat und Aufsicht sind schuldlos?

Nein. Es wurden viele Fehler gemacht. Wir hatten mehrere Regulierungsbehörden geschaffen, wie in Großbritannien. Die haben wir jetzt fusioniert – besser eine starke statt drei schwache. In drei bis fünf Jahren ist unser Bankensystem wieder in einem guten Zustand.

Ihr Staatsfonds verwaltet 60 Prozent des nationalen Vermögens. Jetzt planen Sie Privatisierungen. Wird das auch eine Alibiaktion wie in Russland, wo der Kreml ein paar Prozent Anteile verkauft hat, die Firmen aber de facto in staatlicher Hand geblieben sind?

Nein. Wir planen den großen Schritt zur Marktwirtschaft, wir wollen Teil der globalen Geschäftswelt werden. Im letzten Jahrzehnt hatten wir eine gute erste Welle an Direktinvestitionen aus dem Ausland. Aber um in diesem Jahrzehnt weiter zu wachsen, müssen wir neue Investoren ins Land holen – und das geht nur mit einem riesigen Privatisierungsprogramm. Öl, Gas, Uran, Bergbau: Da wird es um Milliardendeals gehen.

Österreichische Unternehmer, die sich nach Kasachstan gewagt haben, klagen über die grassierende Korruption. Im Index von Transparency International liegt Ihr Land auf dem beschämenden Rang 105. Was tun Sie dagegen?

Diese Rankings sind oft sehr politisch und subjektiv gefärbt. Wir halten uns an die umfassendere „Doing Business“-Bewertung der Weltbank. Da liegen wir auf Platz 59 und sind in den letzten Jahren um 15 Plätze vorgerückt, mehr als jedes andere Land. Dabei geht es nicht um Zahlenkunststücke, man sieht die Resultate. Gerade in der Krise haben europäische Konzerne bei uns investiert: Siemens, die italienische Finmeccanica, der spanische Zughersteller Talgo.

China und Russland drängen nach Kasachstan. Kommt Europas Wirtschaft zu spät?

Nein, die EU ist mit 51 Prozent weiter der wichtigste Handelspartner. Wir haben Rohstoffe, und wir brauchen Zugang zu den Technologien, die Europa hat. Da können beide Seiten nur gewinnen.

Kasachstan ist Österreichs wichtigster Öllieferant. Ihre Gasvorkommen sind weniger groß. Werden Sie für die Nabucco-Pipeline liefern?

Wir haben hohe Lieferverpflichtungen mit Russland und China. Wenn Nabucco einmal fertig ist, werden wir entscheiden, ob wir frei bleibende Mengen haben.

Im Vorjahr war Kasachstan der weltgrößte Uranförderer. Die Atomkraft ist durch Fukushima in Misskredit geraten. Macht Ihnen das nicht Sorgen?

Ich weiß, Deutschland steigt aus der Atomenergie aus. Aber die Franzosen sind weiterhin zu 80Prozent von Atomkraft abhängig, und ein Viertel ihres Uranbedarfs kommt von uns. Ganz zu schweigen von China und Indien: Die könnten gar nicht aussteigen, und sie haben sehr ehrgeizige Projekte. Ich bin sehr optimistisch, was unsere Uranexporte betrifft.

Reich durch Rohstoffe sein, ist oft eher ein Fluch als ein Segen: Die restlichen Sektoren der Wirtschaft verkümmern, die Abhängigkeit von volatilen Preisen und der globalen Konjunktur ist groß...

Ja, wir müssen diversifizieren. Das ist längerfristig unsere einzige Chance zu überleben. Sonst wirft es uns immer zwischen Phasen der Überhitzung und der Rezession hin und her, und wir können uns nie stabilisieren. Unser Programm ist pragmatisch: Wir knüpfen an das an, was wir haben, und verlängern die Wertschöpfungskette. Wir haben Öl und Gas, also wollen wir Rohre bauen und Dienstleister sein. Wir haben Mineralien, also wollen wir sie verarbeiten. Wir haben Uranium, also wollen wir mit den Franzosen von Areva eine Fabrik bauen, Brennstäbe produzieren und sie später nach China verkaufen. Da geht es um echte Hightech-Produkte. Norwegen hat das sehr gut gemacht, dann auch Kanada und Australien. Und jetzt versuchen wir unser Bestes.

Zur Person

Kairat Kelimbetov ist seit April der Wirtschaftsminister Kasachstans. Davor war er der Chef des Staatsfonds und Stabschef von Präsident Nasarbajew. Von 2002 bis 2006 amtierte er als Finanzminister. Wegen seiner hohen Positionen in jungen Jahren wird er als potenzieller Nachfolger des autokratischen Staatschefs gehandelt. Kelimbetov studierte in Moskau und Georgetown (USA). Er ist Kovorsitzender des World Economic Forum für Europa und Zentralasien, das Mittwoch und Donnerstag in Wien stattfand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2011)

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