Kulturzentrum Minoriten: Der Himmel offenbart sich

Kulturzentrum Minoriten Himmel offenbart
Kulturzentrum Minoriten Himmel offenbart(c) Graz Tourismus
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In Graz ist eine feine Ausstellung zum theologischen Thema Trinität zu sehen: Den Wettbewerb bei "1+1+1=1" hat Caroline Heider verdient gewonnen.

Der Himmel von Caroline Heider kann sehr wörtlich als ein abstraktes Modell Gottes und ein sinnliches der Welt genommen werden. Der Himmel ist sehr weit und ungeheuer oben in diesen schwarz-weißen Fotos, mit Wolken hinter Wäldern und Bergrücken im Mondlicht. Sind das romantische Momentaufnahmen? Ist es reine Natur?

Die in München 1978 geborene, in Kärnten aufgewachsene Künstlerin, die in Wien arbeitet und lebt, derzeit ein Stipendium des Ministeriums für Kunst in Rom hat, fügt diesen Impressionen aber etwas hinzu, was ihnen Transzendenz gibt. Sie faltet ihre Fotos. Die hellen Kanten, die dabei entstehen, wirken wie Blitze, wie Offenbarungen des Unendlichen. Man könnte auch sagen, diese Strahlen machen den Träger des Bildes sichtbar – das Papier. Dieses Bild ist kein Himmel, nur das Bild eines Himmels auf hellem Papier.

Tiefstes Geheimnis des Glaubens

Heider, die in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst, an der Filmakademie sowie an der Akademie der bildenden Künste studierte, hat vergangene Woche mit dem eindrucksvollen Werk „O. T. (Oh, ein Phänomen!)“ (2010) den ersten Preis (5000 Euro) beim Kunstfestival im Kulturzentrum der Minoriten in Graz gewonnen. Der Theologe Philipp Harnoncourt hatte aus Anlass seines 80. Geburtstages zum Wettbewerb eingeladen, an die 600 Künstler aus Mittel- und Osteuropa haben sich daran in den Sparten Literatur, Tanz, Komposition und bildende Kunst beteiligt.

In Letzterer gab es eine Vorauswahl von 19 Werken, die in einer Ausstellung bei den Minoriten (Mariahilferplatz 3/I) bis 24. Juli zu sehen sind. Neben Heider wurden schließlich auch Markus Wilfling (3000 Euro) und Walter Kratner (2000 Euro) ausgezeichnet.

„1+1+1=1“ nennt sich die Schau zum Thema Trinität, diesem Paradoxon des christlichen Denkens, das ein Leibthema des Liturgiewissenschaftlers Harnoncourt ist; Vater, Sohn und Heiliger Geist, ein Gott in drei Personen, birgt für den Theologen „das tiefste Geheimnis des Glaubens der Christen“. Die Trinität stand im vierten Jahrhundert im Mittelpunkt heftiger theologischer Kontroversen im griechischsprachigen Osten, die arianischen Gegner dieser Lehre wurden des Irrglaubens bezichtigt.

Lebendige Spiegel des Alls

Im lateinischen Westen schrieb Sankt Augustinus eine profunde Abhandlung, die das Enigma dreier gleicher Personen in einer Substanz verteidigt. Für ihn ist die Liebe ewiger Wesenszug Gottes. Sie aber braucht ein Gegenüber. Der dreieinige Gott habe ewig dieses Gegenüber in sich selbst. Die Künstler haben diesen Gedanken der Trinität auf ganz individuelle Weise umgesetzt. Die Siegerin des Wettbewerbs, die bereits in der Kunsthalle Krems (2005) und im Mumok Salzburg (2010) ausgestellt hat, beschäftigt sich bereits seit geraumer Zeit mit der Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz und seinen Gottesbeweisen in barocker Zeit, als die Wissenschaft daranging, den Horror der Leere des Universums und deren Auswirkungen auf den Glauben des Menschen zu erkennen.

Sein Modell von Gott und Welt erklärt sich durch Monaden (das griechische Monas bedeutet die Einheit, das Einfache), sie sind lebendige Spiegel des Universums mit unterschiedlich ausgeprägter Perzeption. Ihre höchste Stufe: die vernunftbegabte Seele. Ihre Erst-Materie: der Äther. Die Natur des Lichtes strebe danach, sich auszubreiten, behauptet Leibniz.

Caroline Heiders feine Faltungen, die den Betrachter Strahlen zu erkennen glauben lassen, erinnern an dieses schöne Modell der Welterklärung. Noch diskreter in der Präsentation, doch sehr affirmativ in der Semantik ist der Beitrag des Innsbruckers Markus Wilfling (*1966), der bei Gerhard Lojen Malerei, bei Bruno Gironcoli in Wien Bildhauerei studiert hat. „Wir sind da“ (2011) lautet Wilflings lakonische Botschaft, die er mit blauem Fineliner auf zirka 6 mal 30 Zentimeter ungelenk an die Wand geschrieben hat, beinahe bildlos, namenlos in der ersten Person Plural. „Der Satz meint jeden Einzelnen und alle und alles dazwischen!“, heißt es dazu im Katalog (Edition Korrespondenzen). Das könnte die mehrstimmige Antwort auf das „Ich bin der Ich-bin-da“ (Exodus, 3, 14) sein, mit dem Jahwe, der Gott der Väter, die Frage des Moses nach seinem Namen beantwortet.

Ein Experiment mit Wasser

Der Grazer Walter Kratner (*1954), der in Nürnberg und Florenz Design und Kunstgeschichte studierte, hat das Thema in eine sinnliche, ironische Objektinstallation gepackt, mit Alu-Leiter, Holzbrett, Wassersackerln, Kübeln, Bügeleisen, Klemmen, Plastikschläuchen: „Pfffff“ (2008/2011), das sich in sechs Sätzen mit Identität und Nichtidentität von Vater, Sohn und Heiligem Geist beschäftigt, ist auch die Versuchsanordnung zu einem Experiment. Aus einem Wasserbehälter (1) löst sich ein Tropfen (+1) durch ein Infusionsbesteck, um auf eine heiße Platte (+1) zu fallen. Es erfolgt die Transformation in Dampf (=1).

Nicht alle Beiträge sind so hinterlistig, viele aber setzen auf Reduktion; Fritz Ganser etwa oder Werner Hofmeister mit kunstvollen Sprachspielen, Yvonne Manfreda und Joseph Marsteuerer mit symbolischen Formen – Kreuzen, Koordinaten im Raum. Sie bleiben sprachlos, und auch damit treffen sie auf ihre Weise das Thema.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2011)

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