Amerikanische Desserts: Hi, hi, Miss American Pie

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Symbolbild(c) AP (Chuck Burton)
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Muffin, Doughnut, Cheesecake - trotz der hiesigen langen Backtradition werden amerikanische Desserts in Österreich immer populärer. Momentanes Liebkind: der Cupcake. Der Pie fristet aber noch ein Nischendasein.

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen. Aber irgendwann, vor zehn, fünfzehn Jahren, waren Muffins und Brownies tatsächlich exotische Desserts und Menschen, die Pappbecher mit sich auf der Straße herumtrugen, um daraus im Gehen viel zu heißen Kaffee zu schlürfen, waren wunderliche Einzelkämpfer. In Wien, der Stadt der Mehlspeisen-Hochkultur und gediegenen Kaffeehaussitzerei.

Heute ist das freilich anders. Brownies sind mittlerweile die am häufigsten gekaufte Süßspeise der Bäckereikette „Mann“. Und Verlängerter und Melange müssen sich längst den Markt mit Latte macchiato, Frappuccino und anderen Kaffeevarianten teilen, die gerne auf möglichst lange englische Namen à la „extra foamy low fat venti mocha“ hören.

Keine Frage, die amerikanische Kaffee- und Süßspeisenkultur (wobei manche den Begriff „Kultur“ hier anzweifeln würden) hat sich in den vergangenen Jahren in Wien, aber auch im Rest Österreichs etabliert. Wer hätte das gedacht. In einem Land, das für seine ausgeprägte und nach wie vor gepflegte Tradition an Süßspeisen von der Sachertorte abwärts von vielen im Ausland beneidet wird.

Neben Klassikern wie Muffins und Doughnuts werden etwa auch die nicht ganz kalorienarmen Cheesecakes immer beliebter. Nicht unbeteiligt an dem Hype von amerikanischem „Sweet Food“ ist freilich die US-Kaffeehauskette Starbucks, dank der sich Wien auch mit der „Coffee to go“-Kultur angefreundet hat. Oder, wie es Frank Wubben, Managing Director von Starbucks in Österreich und der Schweiz formuliert: „Wir haben einen wichtigen Beitrag in die österreichische Kaffeekultur eingebracht. Das Gleiche wollen wir mit süßen Produkten machen.“

Die vielleicht ästhetisch schönste US-Süßspeise, die sich in jüngster Zeit ihren Platz erkämpft hat, ist der „Cupcake“. Eine Art kleinwüchsige Torte, eine elegantere und aufwendigere Variante des Muffins, die aus zwei Grundkomponenten besteht: einem weichen Kuchenteig in Varianten von Schoko bis Nuss, auf den ein „Topping“ gesetzt (oder besser: gespritzt) wird, eine Cremehaube, die etwa auf Obst basieren kann oder auch auf Mohn, Schokolade oder Pistazie. Darauf platzierte Deko – Zuckerkügelchen oder -blätter etwa – ist die Kür.

Für Kurt Mann waren Cupcakes erst einmal „amerikanisches Klumpert“, das ihm (wie vielen anderen) vor ein paar Jahren in der TV-Serie „Sex and the City“ aufgefallen ist, in der Carrie und Konsorten in die New Yorker „Magnolia Bakery“ zum Cupcake-Essen einfielen. Geschmeckt haben Mann die Cupcakes nicht, dennoch hat er sie nachgebacken und in seinen Filialen angeboten. Ohne Erfolg. „Ich war wohl“, sagt er, „zu früh dran.“

Vermutlich. Denn heute sieht die Lage anders aus: Ihren leisen Siegeszug hat „Sweet Food“ wie Cupcakes oder auch Pancakes (die amerikanische Variante der Pfannkuchen) eher als Nischenprodukt in kleinen Delis und Cafés angetreten, wie der Pure Living Bakery in der Hietzinger Altgasse oder dem Blue Orange in der Schleifmühlgasse auf der Wieden. Als erste Cupcake-Adresse der Stadt hat sich seit der Eröffnung vor zehn Monaten das „Cup Cakes Wien“ in der Josefstädter Straße etabliert.

Und heute? Haben große Bäckereiketten wie Ströck die Cupcakes ins Sortiment aufgenommen. Wobei es schwierig sei, neue Süßspeisen einzuführen, wie Kogeschäftsführer Michael Ströck sagt. „Denn die Österreicher sind eine hohe Qualität gewöhnt. Aber wir wollten die Cupcakes einmal ausprobieren, weil sie ein schönes Produkt sind.“ Auch Kurt Mann hat soeben mit vier Sorten einen neuen Anlauf in Sachen Cupcakes gestartet.

Renate Gruber, die das „Cup Cakes Wien“ betreibt, kann sich trotz der Konkurrenz durch die großen Ketten nicht über zu wenig Nachfrage beklagen. Ihre mehrstündigen Cupcake-Backkurse, die sie dreimal in der Woche anbietet, sind immer ausgebucht. An Spitzentagen verkauft ihr mittlerweile zehnköpfiges Team 1000 Cupcakes am Tag.

Goodbye Cake. Mit dem kleinen Cupcake-Boom liegt Wien also im internationalen Trend. Möchte man meinen. Tatsächlich sind wir, wie auch beim Coffee-to-go, eher Nachzügler. Denn in den USA geht der Trend längst weg von Cupcakes hin zu den „Pies“ (siehe Bild rechts oben): jenen flachen Kuchen aus einer Art Mürbteigboden, die in einer runden Form gebacken und etwa mit Obst belegt werden.

Schon im Vorjahr prognostizierten einige US-Food-Magazine, dass der Pie zu den „hottest food trends“ des heurigen Jahres zählen werde. Auch das „Center for Culinary Development“, das Ernährungstrends beobachtet, listete Anfang des Jahres „Pies of Every Kind“ (also „aller Art“) unter die fünf Dessert-Trends des heurigen Jahres. (Wie übrigens auch Mochi Ice Cream, ein japanisches mit Reismehl umhülltes Eis, das nicht schmilzt, von dem man hierzulande noch gar nichts gehört hat.)

Hello Pie. Nun, ganz falsch lagen sie mit den Prognosen nicht. Pies, die hierzulande durch die „American Pie“-Filme zu einiger Bekanntheit gekommen sind (wenn in diesem Zusammenhang auch zu eher zweifelhafter), sind zwischen Ost- und Westküste groß im Kommen, was auf den ersten Blick überraschen mag: Ist der Pie doch eine der unspektakulärsten, weil gängigsten Kuchenarten in Amerika, vom Glamourfaktor in etwa mit dem Gugelhupf hierzulande vergleichbar. Ein schnell gebackener Kuchen, der eigentlich nie richtig weg war. Aber auch nie ganz da, zumindest nicht unbedingt in der gehobenen Gastronomie, die sich eher den aufwendigeren und ästhetisch ansprechenderen Desserts (Cupcakes!) gewidmet hat und nun dabei ist, den Pie zu verfeinern und auf ein neues Niveau zu heben. Oder, etwa in der Coconut-Caramel-Variante, in neue Dekadenzdimensionen.

Österreich wird auf die Pies noch eine Zeit lang warten müssen. Wer lange sucht, mag die eine oder andere Variante in amerikanisch inspirierten Cafés finden, ein breiteres Angebot bietet etwa die „Pie Factory“ in Wien-Alsergrund, wenn auch eher pikante Pie-Varianten. Von einem großflächigen Angebot ist man aber noch weit entfernt. Weder Mann („Wir backen eckige Kuchen, keine runden“) noch Ströck können sich derzeit Pies im Sortiment vorstellen. Auch Starbucks sieht seine Klientel mit Cheesecake & Co. gesättigt – und hat außerdem kürzlich ein weiteres in den USA populäres Dessert auf dem heimischen Markt lanciert: Cake Pops. Kleine Minikuchen am Stiel (siehe Bild links unten). Cake Pops sind, weil deutlich kleiner dimensioniert, kalorienärmer und könnten so, wie Starbucks-Director Wubben hofft, dem Wellnesstrend entsprechen. Ob sich Cake Pops in Österreich etablieren werden? „Da müssen wir realistisch sein. Starbucks wird nicht in der Lage sein, allein einen Trend auszulösen.“ Hoffen auf Nachahmer also.

So wirklich original-amerikanisch sind die US-Desserts hierzulande übrigens nicht immer. Denn Toppings aus Buttercreme, sagt Cupcake-Bäckerin Gruber, wie sie die Amerikaner mögen, seien den Österreichern zu fett. Sie verwendet stattdessen Topfen oder Mascarpone. Auch die Zuckermenge hat sie reduziert. „Man braucht viel Entwicklungsarbeit, bis man das halbwegs hinkriegt“, sagt auch Michael Ströck. Den größten Umsatz macht seine Bäckerei aber nach wie vor nicht mit Muffins und Co. „Österreich ist einfach das Land der Topfengolatsche.“

KLASSIKER

Muffin
Kleine Kuchen, die es in verschiedenen Variationen, etwa mit Schokolade oder Früchten, gibt.

Cupcake
Eine kleine Torte, vergleichbar mit einem Muffin, die mit Creme bedeckt ist.

Doughnut
(Auch Donut) Ein handtellergroßer Krapfen Hefeteig, oft mit Glasur überzogen.

Cookies
Meist weiche Kekse, die häufig mit kleinen Stückchen, etwa Nüssen oder Schokolade, gefüllt sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2011)

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