Kosovosyndrom im Südsudan

Die Abspaltung vom verhassten Norden war der leichtere Teil der Übung.

Mission erfüllt, dürften sich nicht wenige in der Führungsetage des neuen Südsudan denken und sich erst einmal zurücklehnen: Endlich hat man dem verhassten Norden den Laufpass gegeben und damit den vordringlichsten Wunsch der Bevölkerung erfüllt. Man kann den Menschen ihre Freude nicht verdenken: Nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges schien ihnen ein weiteres Zusammenleben im gemeinsamen Staat, in dem sie sich als Bürger zweiter Klasse fühlten, nicht gerade erstrebenswert.

Doch was jetzt droht, ist eine Art Kosovo-Syndrom: Es manifestiert sich vor allem im Glauben, mit der Unabhängigkeit werde alles gut. Doch man muss kein Pessimist sein um zu dem Schluss zu kommen, dass die Abspaltung der leichtere Teil der Übung war.


Der Südsudan ist auf dem absoluten Nullpunkt: Das bisschen Infrastruktur ist kaum der Rede wert, das Wort Gesundheitssystem ein blanker Euphemismus. Selbst wenn es mehr Schulen gäbe, fehlten die Lehrer dafür. In Juba sprießten zwar Ministerien aus dem Boden, doch an denen hätte allenfalls Fürst Potemkin seine Freude. Fähige Beamten, die einen Staat aufbauen könnten, gibt es kaum.

Auch ohne die gravierenden Grenzprobleme mit dem Norden, auch ohne die Rebellengruppen, die ihr Stück vom Kuchen fordern und mit lukrativen Posten ruhiggestellt werden wollen, wären die Aufgaben für die Regierung eines Herkules würdig. Dass die zu Politikern mutierten Exkämpfer (Kosovo-Syndrom!) ihnen gewachsen sind, dieser Verdacht kommt nach den Erfahrungen der letzten sechs Jahre Selbstverwaltung nicht auf.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2011)

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