Analyse: Vom Sinn und Unsinn einer Studiengebühr

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Die ÖVP will im Sommer kommunizieren, warum Gebühren an den Universitäten sinnvoll sind. Bisher ist allerdings unklar, wie ein Modell aussehen kann, das dem Uni-Sektor über seine Strukturprobleme hinweghilft.

Wien. „Die Studiengebühren sind für mich kein Hauptthema.“ Es war der Wissenschaftsminister selbst, der diesen Satz zu Amtsantritt im April in die Mikrofone diktierte. Drei Monate später klingt Karlheinz Töchterle da ganz anders: Als der Verfassungsgerichtshof die bestehende Regelung vor zwei Wochen kippte, forderte der Minister postwendend die „flächendeckende“ Neueinführung der Studiengebühren.
Mehr noch: Die ÖVP will in den Sommermonaten aktiv kommunizieren, warum die Wiedereinführung sinnvoll sein soll. Sie tut gut daran. Bisher ist – abseits der immer gleichen Argumente, die zum immer gleichen Streit mit dem Koalitionspartner SPÖ führen – nicht klar, wie ein neues Modell aussehen kann, das dem Uni-Sektor über die strukturellen Probleme hinweghelfen kann.
Töchterle hat nun angekündigt, im Herbst ein Konzept vorlegen zu wollen, für das er sich dann auch aus den Reihen der SPÖ Unterstützung erhofft. Die bislang von Töchterle kommunizierte Regelung (er denkt an eine Obergrenze von 500 Euro pro Semester) könnte maximal zusätzliche 200 Millionen Euro (statt derzeit 30 bis 35 Millionen Euro) einbringen. Orientiert man sich an dem Modell, das Töchterles Vorgängerin Beatrix Karl (ÖVP) zuletzt präsentierte, würden nur 85 Prozent des Betrags an die Unis gehen, der Rest  in den Ausbau der Stipendien fließen.
Für eine echte Strukturreform, etwa mittels lange angekündigter Studienplatzfinanzierung, bräuchte es jedoch mindestens 900 Millionen Euro zusätzlich im Jahr. Diesen Betrag hat das Ministerium selbst in Zusammenarbeit mit den Uni-Rektoren errechnet. Das dazugehörige Konzept ist unter Verschluss. Nicht zuletzt profitieren die Unis nur dann von Gebühren, wenn der Staat jene Summe, die er den Unis derzeit überweist um den Entfall der Gebühren auszugleichen, beibehält. Sonst handelt es sich um eine bloße Verlagerung der Belastung hin zu den Privaten.

Gefahren und Nutzen umstritten

Tatsächlich ist die Geschichte der Studiengebühr in Österreich keine sonderlich ruhmreiche: Unter Bruno Kreisky 1973 abgeschafft, erlebte sie ihre (kurze) Renaissance im Jahr 2001. Da führte die ÖVP-FPÖ-Koalition wieder Beiträge in der Höhe von 363,36 Euro ein, bis eine seltene Allianz aus SPÖ, Grünen und FPÖ diese im Wahlkampf 2008 in Form einer komplizierten Regelung mit zahlreichen Ausnahmen de facto wieder beseitigte.
Seither blieb die ÖVP mit ihren Konzepten zur Wiedereinführung erfolglos: Die damalige Uni-Ministerin Karl scheiterte sowohl mit ihrem Modell der „Prüfungsgebühren“ (Studenten sollten keinen Fixbetrag, sondern pro absolviertem Kurs oder abgelegter Prüfung zahlen) als auch mit ihrem „Drei-Säulen-Modell“, das unter anderem Darlehen für Studenten vorsah.
Gefahren und Nutzen von Studiengebühren sind seit jeher umstritten: Während die einen die soziale Selektion beklagen, verweisen die anderen darauf, dass ohnehin nur die Wohlhabenderen zur Kasse gebeten würden. Befürworter zitieren gerne Studien und Berichte, die belegen, dass die Zahl der „prüfungsaktiven“ Studierenden mit Einführung der Gebühren steige. Ein Rechnungshofbericht etwa kam zum Schluss, dass zwischen der Einführung 2001/02 und dem Jahr 2008/09 der Anteil der Studenten, die im Studienjahr gar keine Prüfung ablegten, um 18 Prozentpunkte sank. Der Anteil jener Studierenden, die ein Studium abschlossen, sei sogar um 12 Prozentpunkte gestiegen. Keine ganz saubere Argumentation, sagen die Gegner: Mit der Einführung seien vor allem „Karteileichen“ aus den Uni-Akten verschwunden. Letztlich ist es die ideologische Frage, an der sich die Geister scheiden.

Gebühren international im Trend

Mit seiner Forderung nach Gebühren liegt Töchterle jedenfalls im Trend: In den meisten europäischen Ländern wird nicht mehr infrage gestellt, dass Studierende für die Ausbildung zahlen sollen. Griechenland und Irland sind neben den nordischen Staaten die einzigen der EU-15, in denen Studieren noch völlig gratis ist.
Doch sogar in den nordischen Staaten zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Schweden etwa führt demnächst Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger ein, auch in Dänemark zahlen Studenten aus dem EU-Ausland bereits. Noch werden die nordischen Hochschulen zum überwiegenden Teil vom Staat finanziert. Die hohe Steuerquote ermöglicht, dass das auf einem exzellenten Niveau geschieht.
Die Briten dagegen kombinieren durchschnittlich hohe öffentliche Ausgaben mit hohen Gebühren. Erst kürzlich hat die konservativ-liberale Regierung noch einmal kräftig nachgelegt: Ab dem kommenden Jahr können die Unis von jedem Studenten bis zu 9000 Pfund (10.600 Euro) pro Jahr verlangen; damit soll der staatliche Anteil am Uni-Budget auf unter 40 Prozent gedrückt werden (in Österreich ist dieser knapp doppelt so hoch). Auch die Schweiz dreht derzeit an der Gebührenschraube: Vor allem für die ausländischen Studenten soll die Ausbildung teurer werden. In Zürich ist die Erhöhung der Gebühren beschlossene Sache, in St. Gallen so gut wie fix.
Allein Deutschland geht den umgekehrten Weg: Nordrhein-Westfalen hat die Gebühr kürzlich abgeschafft, auch im SPD-regierten Hamburg und im rot-grünen Baden-Württemberg soll sie bald fallen. Nur in Bayern und Niedersachsen müssten Studenten dann noch zahlen – sogar im Freistaat wird aber seit der Vorwoche neu über das Ende der Gebühr diskutiert.

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