USA: Wahlkampf in Iowa – ein Knochenjob

Wahlkampf Iowa ndash Knochenjob
Wahlkampf Iowa ndash Knochenjob(c) AP (Charles Dharapak)
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Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten buhlen um Stimmen im Mittleren Westen der USA. Michele Bachmann verheißt das Blaue vom Himmel und Mitt Romney bewegt sich im Honoratioren-Milieu wie ein Fisch im Wasser.

Anyone but Obama.“ Jeder außer Obama: Das ist die Devise, die landauf, landab im republikanischen Vorwahlkampf in Iowa als Kennmelodie erklingt. „Einer dieser Kandidaten wird der nächste Präsident der USA werden, der Führer der freien Welt“, orakelt Paul Smiley-Oyon am Rande einer Wahlkundgebung in Ames, während er zufrieden grinsend an seiner Zigarre pafft. „Sogar Frosty der Schneemann könnte die Wahl gewinnen.“

Es schwingt viel Wunschdenken mit in der Prognose des Buschauffeurs. Apodiktisch urteilt der politische Feuergeist: „Obama ist am Ende.“ Unter den republikanischen Hardlinern geht die Verachtung für den Präsidenten unter die Gürtellinie. Ein Aufkleber schmäht ihn als „Buck Ofama“, eine Verballhornung von „Fuck Obama.“

In den Tagen vor dem Lackmustest der „Straw Poll“ in Ames, einer ersten Wahlkampf-Bestandsaufnahme, schwärmten die Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party im von Mais- und Sojafeldern überzogenen Staat im Mittleren Westen aus. Ein Knochenjob: Von der Hauptstadt Des Moines bis in das Dörfchen Strawberry Point trommelten sie ihre Botschaft. Es ist ein anachronistisches Paradoxon in der Facebook-Ära, ein urdemokratisches Relikt im US-Wahlkampf.


Sonntagsgebet. In sich versunken hält Michele Bachmann am Sonntagabend für ein Gebet für die 30 beim Abschuss eines Chinook-Hubschraubers in Afghanistan ums Leben gekommenen US-Soldaten inne. Vor dem ehemaligen Offizierscasino in Fort Des Moines betet sie auch um Weisheit für den Präsidenten, dessen Politik sie zuvor nach allen Regeln der Rhetorik höhnisch zerpflückt hat. „Ich verspreche, dass ich als Präsidentin keinen Teleprompter benutzen werde“, ätzt sie. Und wie zum Beweis dreht sie den 70 Zuhörern, großteils Rentner, den Rücken zu: „Ich bin zwar nur 1,57 Meter groß, aber ich habe ein Rückgrat aus Titan.“ Michele Bachmann stilisiert sich mit stählernem Charme zum „tough cookie“.

„Fühlt sich für euch so die wirtschaftliche Erholung an?“ Sie malt den Schuldenstand der USA in absoluten Zahlen und vielen Nullen auf eine Tafel, sie verheißt den Ausbau des Grenzzauns zu Mexiko und die Rücknahme von „Obamacare“, der unpopulären Gesundheitsreform – und sie wettert gegen die Vorschrift zum Kauf einer Energiespar-Glühbirne. Ihr Freiheitsbegriff ist weit gefasst, stößt bei den Homosexuellen-Rechten aber ans Limit. Das bringt ihr christlich-erzkonservatives Weltbild aus dem Gefüge.

Die attraktive 55-Jährige verspricht das Blaue vom Himmel, trotz eines rigorosen Sparprogramms legt sie ein Bekenntnis für eine starke Armee ab – ein „Must“ für jeden Republikaner. Johlenden Applaus erntet sie indes mit einem Gelöbnis: „Ich verspreche, ich werde keine Zehe außer Landes setzen, um mich für die Vereinigten Staaten von Amerika zu entschuldigen.“

Ihre Agitation weckt Assoziationen zu Sarah Palin. Wie sie zierte sie jüngst mit weit aufgerissenen Augen und unter dem Titel „Die Königin des Zorns“ das Cover von „Newsweek“, wie sie polarisiert sie die Nation. Ihre Konkurrenten versuchen sie klein zu reden. Sie sei ja fotogen, lästerte Jon Huntsman. Chris Wallace, Moderator des konservativen TV-Senders Fox, bezeichnete sie als „flake“, als Leichtgewicht.

Frisch geföhnt, motiviert bis in die Haarspitzen hüpft sie anderntags in Atlantic aus dem Wahlkampfbus aufs Podium. Im persönlichen Gespräch strahlt sie Wärme aus, sie geht auf die Menschen zu, ergreift sie am Handgelenk. „Es kommt vom Herzen, sie ist authentisch, bodenständig“, schwärmt eine Frau mit strubbeliger Frisur. Aus den Lautsprecherboxen heult Elvis Presley, und Burl Beam, ein 90-jähriger, schwerhöriger Ex-Pilot der Air Force, zeigt sich angetan. „Das ist mein Mädchen. Warum sollten wir nicht einmal eine Frau zur Präsidentin wählen?“


Die Paul-Revolution.
In Waterloo dagegen, ihrem Geburtsort, ist eine pensionierte Lehrerin, eine Demokratin, alles andere als gut auf Bachmann zu sprechen. Während sie in Franklin's Café ihren Lunch einnimmt, kehrt sie die Schulmeisterin hervor. „Ich würde zu ihr sagen: ,Du dummes, kleines Ding.‘“ Bachmann hatte John Wayne als großen Sohn ihrer Stadt gepriesen, dabei handelte es sich peinlicherweise um den Serienkiller John Wayne Gacy.

Im Convention Center hält derweil Ron Paul eine Wahlkampfrede. Sein Sohn Rand, ein Senator und Galionsfigur der Tea Party, stellt den 75-jährigen Kongressabgeordneten und Gynäkologen vor. Der Verfechter einer libertären Ideologie und Abschaffung der Notenbank, mehr Philosoph denn Politiker, sieht sich durch die Spardebatte vollauf bestätigt. „Die Regierung läuft Amok.“ Jahrelang hat er für einen „kleinen Staat“ und den Rückzug aus Afghanistan gepredigt. „Mein Hauptgegner ist John Maynard Keynes.“ Der britische Nationalökonom propagierte einen starken Staat. „Bin ich denn jetzt Mainstream?“, fragt er besorgt. Dora Burns und ihre Mutter tragen ein schwarzes T-Shirt mit rosaroter Aufschrift: „Die Ron-Paul-Revolution.“ Ihre Traumpaarung wäre Ron Paul als Präsident und Bachmann als seine Stellvertreterin.

Für Tim Pawlenty wäre dies jedoch eher ein Horrorszenario. In Humboldt präsentiert sich der Exgouverneur, Sohn eines Lastwagenfahrers, als der Anwalt des „kleinen Mannes“. Bescheiden fährt er im Campingbus vor. Anders als die beiden Widersacher spielt er seine Erfahrung und Regierungsverantwortung aus. Er attackiert Obama: „Er war gerade so lange im Senat, um sich einen Kaffee zu holen. Ich habe die Nase voll von ihm.“

Vor dem Haus von Tommy und Jessica Christ in einem Vorort von Des Moines verstellen BMWs und SUVs die Zufahrtswege. Die Christs halten eine Wahlparty für Mitt Romney ab – mit Honoratioren und aufgedonnerten Blondinen. Romney, Exgouverneur von Massachusetts, geißelt den „Sozialisten“ Obama. „Europa liegt falsch, wir liegen richtig.“ „Yes!“, schreit einer. Jedem, der ihm die Hand schüttelt, sagt Romney: „Great to see you.“ Es ist sein Metier – die Welt des Business.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2011)

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