Investitionen müssen nicht im Landraub enden

Die Bilanz der bisherigen Agrarinvestitionen in der Dritten Welt ist ernüchternd. Das heißt aber nicht, dass westliches Kapital Afrika und Asien nicht auch helfen könnte.

Es war immer das gleiche Vorgehen. Plötzlich standen reiche und mächtige Männer mit bewaffneten Handlangern auf dem Hof und vertrieben die Bauern von jenem Land, das diese schon seit Jahren bestellten. Den Landlosen blieb in der Folge nichts anderes übrig, als in die Großstadt zu ziehen, wo sie an Hunger litten und die Slums stetig wuchsen.

Diese Situation führte 130 vor Christus in Rom zur ersten Sozialbewegung, die vom Volkstribun Tiberius Gracchus angeführt wurde. Gracchus wollte eine Agrarreform durchsetzen, die den Landraub rückgängig gemacht hätte. Das Vorhaben misslang, Gracchus wurde ermordet.

Landraub ist in der Geschichte der Menschheit also nichts Neues. Und viele Beobachter fühlen sich bei den Schilderungen von Betroffenen aus Afrika, Lateinamerika und Asien an die Situation im alten Rom erinnert. Selbst die in dieser Frage unverdächtige Weltbank zog in einer Studie im Vorjahr ein ernüchterndes Resümee über die Agrarinvestitionen, die vor allem von arabischen und asiatischen Staatsfonds sowie westlichen Finanzinvestoren durchgeführt werden.


So wurde laut Weltbank allein in den vergangenen drei Jahren eine Fläche von der Größe Frankreichs von Investoren gekauft oder geleast. Bauern, die das Land oft seit Jahrzehnten bestellten, aber keinen Rechtstitel besaßen, wurden vertrieben. So mussten allein bei einem Projekt in Tansania 162.000 Menschen ihr Land verlassen. Entschädigungen gibt es dabei in der Regel nicht.

Aber auch der Umgang mit dem Land sorgt oft für Probleme. Manche Investoren spekulieren nur auf einen Wertzuwachs und lassen das Land brach liegen. Andere bestellen die Felder zwar, pfeifen dabei aber auf Dünger und Fruchtfolge, weshalb fruchtbarer Boden nach einigen Jahren zur Ödnis wird. Natürlich gibt es auch positive Beispiele, so die Weltbank. In Summe fällt der Befund aber düster aus.

Bedeutet das also, dass jegliche Agrarinvestitionen in Ländern der Dritten Welt abzulehnendes Teufelszeug sind? Nein. Auch Afrikas Landwirtschaft könnte davon profitieren, wenn Kapital von außen es ermöglicht, brachliegende Potenziale zu heben. Wenn ein Bauer beispielsweise dank eines Investors mit einem Traktor statt eines Ochsenpflugs seine Felder bestellen kann, profitiert er davon – auch wenn er dem Investor einen Teil des Gewinns wieder abgeben muss.

Dass das Kapital dabei aus dem Ausland kommt, muss ebenfalls kein Nachteil sein. Eine ähnliche Situation gab es ja auch in Osteuropa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Und auch dort war etwa in Tschechien der Aufschrei groß, als sich der deutsche VW-Konzern anschickte, das Paradeunternehmen Škoda zu übernehmen. Heute, 20 Jahre später, dürfte wohl jeder zwischen Pilsen und Ostrau froh sein, dass Škoda dank frischen Kapitals seinen unglaublichen Expansionskurs starten konnte.

Warum Agrarinvestitionen in Afrika und Asien statt zu Erfolgsgeschichten zu Desastern werden, hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist die mangelhafte rechtliche Situation. In Ländern, in denen es keine ordentlichen Grundbücher gibt, lassen sich Bauern leicht von ihrem Land vertreiben. Das beweist das Beispiel Kambodscha, wo die Grundbücher erst von den Roten Khmer abgeschafft wurden. Und selbst wenn sie einen rechtlichen Anspruch haben, können sie ihn mangels Geld in einer korrupten Justiz oft nicht umsetzen.

Natürlich sind die Investoren schuldig, wenn sie solche Situationen ausnützen. Änderungen muss aber die lokale Politik herbeiführen, indem sie die Rechte ihrer Staatsbürger respektiert und auf die Einhaltung von Umweltgesetzen pocht, statt selbst die Hand aufzuhalten.

Grundsätzlich ist die Landwirtschaft nämlich jener Sektor, mit dem auch Afrika wirtschaftlich reüssieren könnte. Darin sind sich die Experten einig. Europa sollte daher auch endlich die unfairen Agrarsubventionen abbauen. Denn solange italienisches Tomatenmark in Ghana billiger ist als einheimische Tomaten, helfen auch die besten Investitionen nichts.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2011)

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