Geldpolitik: Sorgenvolle Blicke nach Wyoming

Ben Bernanke
Ben Bernanke(c) AP (J. Scott Applewhite)
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Am Freitag kommen die Notenbanker erneut in Wyoming zusammen. Möglicherweise wirft Bernanke die Notenpresse für eine dritte Runde von Stützungskäufen an. Das werde nicht viel bringen, warnt Goldman Sachs.

Wien. Fast genau ein Jahr ist es her, als Ben Bernanke im idyllischen Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming mit einer weitreichenden Ankündigung aufhorchen ließ: Um 600 Mrd. Dollar (416 Mrd. Euro) werde die Federal Reserve Staatsanleihen aufkaufen, erklärte der wichtigste Notenbankchef der Welt der versammelten Kollegenschaft. Eine zweite Runde an weitreichenden Stützungskäufen war ins Leben gerufen, das eigentlich nur als Notmaßnahme zum Höhepunkt der Finanzkrise propagierte "Quantitative Easing" fortgesetzt.

Am heutigen Freitag kommen die Notenbanker erneut in Wyoming zusammen. Und wie schon im Vorjahr könnte Bernanke in den Rocky Mountains ankündigen, einmal mehr heftig in den Markt für Staatsanleihen einzugreifen – entweder durch den Kauf von Treasury Bonds oder einen Umtausch bestehender Papiere in solche mit längerer Laufzeit.

"Nur ein kleiner Effekt"

Damit will die Federal Reserve die schwächelnde Konjunktur stützen. Im ersten Halbjahr legte die US-Wirtschaft nur um 0,8 Prozent zu. Einige Ökonomen fürchten, dass die größte Volkswirtschaft der Welt erneut in eine Rezession stürzen könnte. Umso ernüchternder ist das Urteil, das Goldman Sachs in einer aktuellen Studie abgibt: "Eine weitere Runde an Stützungskäufen wird nur einen kleinen Effekt auf die Wirtschaft haben", schreibt das Investmenthaus.

Im Detail haben sich die Banker von Goldman angeschaut, welche Wirkung die Stützungsprogramme der Fed tatsächlich hatten und haben werden. Demnach machte "Quantitative Easing I" noch Sinn. Im November 2008 drohte der Interbankenmarkt zu kollabieren. "Die Ursache war relativ klar", schreibt Goldman: Nämlich die vielen "faulen", durch uneinbringliche Hypotheken besicherten Wertpapiere in den Bilanzen der Banken. Die Fed kaufte diese im großen Stil auf und hält nun "faule" Hypotheken im Wert von bis zu einer Billion Dollar.

Deutlich weniger brachte "Quantitative Easing II". Die Folgen der beiden Stützungsprogramme auf das Wirtschaftswachstum berechnete die Bank im Detail nicht getrennt, weil das erste Paket auch zu Beginn des zweiten im Herbst 2010 noch nachwirkte. Zusammen haben die beiden Programme das Wirtschaftswachstum jedenfalls um einen Prozentpunkt erhöht – wobei "bis zu 0,8 Prozentpunkte" auf die erste Runde von Stützungskäufen zurückgehen.

Die Bilanz der Federal Reserve ist im Zuge der Hilfsprogramme auf 2850 Mrd. Dollar angewachsen. 1641 Mrd. Dollar davon hält die Fed in Form von Staatsanleihen. Damit ist die Zentralbank der größte Gläubiger der USA. Doch Bernanke steckt in der Bredouille: Die Konjunktur will nicht anspringen, die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch. Deshalb will der Notenbanker den Konsum anregen – und zwar mit einer erneuten Erhöhung der Geldmenge.

Inflation macht Nutzen wett

In geringem Ausmaß könnte eine weitere Runde von Stützungskäufen die Wirtschaft anregen. Würfe die Fed nochmals eine Billion Dollar in die Märkte, beschleunigte sich das US-Wachstum um "bis zu 0,5 Prozentpunkte", schätzt Goldman. Doch den Konsumenten brächte das nichts: "Das Potenzial für weitere Preissteigerungen wäre groß", erwartet die Bank.

Bereits jetzt liegt die Inflation in den USA bei 3,8 Prozent. Nicht zuletzt deshalb blickt Goldman Sachs sorgenvoll nach Wyoming: "Ein Allheilmittel ist QE III keinesfalls."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2011)

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