Sechzehn Nobelpreisträger und ein Star

(c) EPA (KARL-JOSEF HILDENBRAND)
  • Drucken

Treffen der Nobelpreisträger: Wer sich von den führenden Ökonomen erhellende Antworten auf Krisenfragen erhoffte, blieb ernüchtert zurück. Joseph Stiglitz dominierte von Beginn an die Veranstaltung in Lindau.

Lindau. Eines muss man den Organisatoren des 4. Nobelpreisträgertreffens in Lindau lassen: 17 der 38 noch lebenden Laureaten zur selben Zeit am selben Ort zu versammeln, ist ein Kunststück, das man erst einmal schaffen muss. Wer sich aber von den ökonomischen Geistesgrößen erhellende Antworten auf die bange Frage erhoffte, wie denn nun die Probleme der Weltwirtschaft zu lösen wären, wird das kleine Städtchen am Bodensee wohl ernüchtert zurückgelassen haben.

Viele der Nobelpreisträger machten sich auch gar nicht die Mühe, darauf einzugehen. Als hielten sie das, was sich vor den Türen ihrer Forschungsstätten abspielte, für vernachlässigbare Petitessen, verschanzte sich das Gros der angereisten Experten hinter bekannten Thesen ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Ein Ökonom sicherte sich allerdings gleich von Beginn an die Lufthoheit über die vielen detailverliebten Vorträge: Joseph Stiglitz.

Mit seiner Dominanz dürften die Veranstalter des Lindauer Treffens auch gerechnet haben, andernfalls hätte Stiglitz wohl nicht in der ganzen Stadt von den Tagungsplakaten gelächelt. Dabei gibt es, wie der an der Columbia University lehrende Ökonom in jedem seiner Auftritte klarmachte, nicht viel zu lachen. Das habe die Gesellschaft nicht zuletzt den gescheiterten Wirtschaftswissenschaften zu verdanken: „Schon im August 2008 diskutierten hier in Lindau Nobelpreisträger mit jungen Studenten über die Zukunft. Es gab fast keine Diskussion über die herannahende Krise. Die wichtigste Aufgabe der makroökonomischen Modelle ist aber die Vorhersage genau solcher Ereignisse. Und das ist nicht geschehen“, polterte Stiglitz.

„Stimmt nicht“, kontert sein Landsmann Roger Myerson, Nobelpreisträger des Jahres 2007. Die wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse hätten der Welt in den vergangenen Jahrzehnten sehr wohl große Dienste erwiesen: „Wir haben seit 1929 (Ausgangspunkt der Großen Depression, Anm.) sehr viel dazugelernt.“ Mit „wir“ meint Myerson auch die Geldpolitiker, die rechtzeitig alle Schleusen öffneten.

Für Stiglitz ändert das aber nichts am Befund, dass die makroökonomischen Großrechner auf die falschen Konstanten programmiert sind. Dazu gehöre der „Glaube an den rationalen Nutzenmaximierer“, dessen Handeln zu den besten Ergebnissen für alle führte. Diese Erkenntnis ist freilich alles andere als neu: Die „Österreichische Schule der Nationalökonomie“ hat bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgewiesen, dass die Marktteilnehmer nicht jene kalten Maschinen sind, die alles Handeln der rationalen Maximierung des Eigennutzes unterwerfen.

Umjubelter Held der Linken

Je länger man Stiglitz zuhörte, desto eher begann man zu verstehen, warum der Mann als neuer Keynes gefeiert wird und längst zum Helden der Linken aufgestiegen ist. Er liest ihnen die Wünsche von den sorgenvollen Augen ab. Knallharte Sparprogramme, so donnerte Stiglitz ein ums andere Mal von der Kanzel, könnten nicht die Lösung sein. Staaten, die jetzt noch finanzielles Pulver zu verschießen hätten, sollten das gefälligst tun. In dieser Frage hat der brillante Rhetoriker auch Myerson auf seiner Seite, der sich darüber beklagt, dass sich viele Politiker noch immer gegen schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme, höhere Steuern und eine Verstaatlichung von Banken sperrten.

Einigkeit herrschte in Lindau darüber, dass es mehr Wachstum braucht. Darauf angesprochen, in welchen Sektoren und mit welchen Produkten denn Staaten wie Griechenland wachsen sollten, geriet auch Stiglitz ins Stottern. „Griechenland verfügt beispielsweise über hervorragende Ärzte.“ Das Land sollte also mit neuen Schulden das staatliche Gesundheitswesen aufpäppeln. Schön. Und weiter?

Neue Technologien und Investitionen in Bildung wären auch nicht schlecht. Stehsätze, die in keiner politischen Sonntagsrede fehlen dürfen, beim Großteil der 380 handverlesenen Studenten aber blendend ankamen.

Deutlich besser jedenfalls als das Plädoyer von Robert Mundell, Nobelpreisträger des Jahres 1999, der Steuersenkungen für die US-Unternehmen einforderte. Das sei deutlich günstiger und effizienter, als weiter massenhaft staatliches Geld in die Wirtschaft zu pumpen.

Mundell warnte auch vor allzu düsteren Prognosen. Die USA durchlebten gerade eine Wachstumspause, es werde aber nicht allzu schlimm kommen. Zuversicht versprühte auch Dale Mortensen, Nobelpreisträger des Jahres 2010. Die betuchte Oberschicht aus China und den USA werde der deutschen Wirtschaft auch weiterhin technologisch ausgereifte Produkte abkaufen und so Europas Konjunkturlokomotive unter Dampf halten.

Der Schlussapplaus gehörte aber dennoch wieder Joseph Stiglitz. Er forderte die jungen Ökonomen auf, an einer besseren, sozialeren Welt zu arbeiten. Schließlich brauche es nichts weniger als ein alternatives Wirtschaftsmodell. Informationen darüber, wie dieses neue Modell konkret aussehen könnte, nahm Stiglitz aber wieder mit nach Hause. Das Zeitbudget seines Vortrages war verbraucht, wie er entschuldigend meinte. Schade. Vielleicht bekommt er beim nächsten Lindau Treffen in drei Jahren ja etwas mehr Zeit eingeräumt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Robert Mundell: "Das ist eine Art Kriegszustand"

Der Kanadier Robert Mundell, Nobelpreisträger des Jahres 1999, glaubt im Interview mit der "Presse" an die Zukunft des Euro - vorausgesetzt, die europäischen Schuldnerstaaten erkennen auch den Ernst der Lage.
Ben Bernanke
Geld & Finanzen

Geldpolitik: Sorgenvolle Blicke nach Wyoming

Am Freitag kommen die Notenbanker erneut in Wyoming zusammen. Möglicherweise wirft Bernanke die Notenpresse für eine dritte Runde von Stützungskäufen an. Das werde nicht viel bringen, warnt Goldman Sachs.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.