Speisekarten: Der Chef empfiehlt

Sie spiegeln Trends in Mode, Grafikdesign oder Gesellschaft wider und geben Auskunft über die Geschichte des Essengehens: historische Speisekarten.

TIPP

Gastronomen, bitte kurz weglesen. Ob man nicht doch öfters eine Speisekarte, hüstel, hüstel, als „Erinnerung“ an einen Restaurantbesuch einstecken sollte? Sieht man sich an, welche Preise historische Menükarten mitunter erzielen, könnte sich dieses Delikt zumindest für die Nachkommenschaft durchaus lohnen.

Sammler suchen meist nach bestimmten Gesichtspunkten: etwa nach Speisekarten aus militärischem Kontext, solchen von Staatsbanketten oder ausschließlich aus Drive-ins. Das Buch „Menu Design in America“ widmet sich nun der Kultur der amerikanischen Speisekarten. Ursprünglich stammen die Karten freilich aus Europa, genauer gesagt, aus Frankreich. Dem Aufkommen von Speisekarten Ende des 19. Jahrhunderts ging natürlich voraus, dass man begann, auswärts zu essen – und zwar mit Wahlmöglichkeiten. Es gab also irgendwann mehr als nur ein Gericht, man brauchte eine Auflistung. Und um die Gestaltung dieser wurde gerade in den USA viel Aufhebens gemacht, nicht zuletzt deshalb, weil man dort schon um 1900 fast öfter zum Essen ausging, als dass man zu Hause kochte.

Typographischer Spiegel. Speisekarten sind auch so etwas wie ein typografischer Spiegel der jeweiligen Zeit, wie etwa auf dem Exemplar oben rechts deutlich wird. Anfangs meist als Einzelblatt und reine Aufzählung der Gerichte gestaltet, entwickelte sich die Speisekarte zu einer Art Werbebroschüre des jeweiligen Restaurants weiter – es wurde irgendwann üblich, die Karte mit nach Hause zu nehmen, entweder als Beweis, dass man in einem exklusiven Lokal gespeist hatte, oder auch als Andenken an einen historischen Augenblick. Illustrationen, Prägungen, aufwendige Bindungen sorgten dafür, dass das Restaurant und sein Image in Erinnerung blieben. Und sind es heute eher die Attribute „hausgebeizt“ oder „aus Wildfang“, die als schick gelten, waren es früher französische Fachbegriffe, mit denen gerade auf amerikanischen Speisekarten wild um sich geworfen wurde. Bon appetit!

Menu Design in America, 1850–1985. Steven Heller, John Mariani, Jim Heimann. Taschen, 392 Seiten, 40 Euro.

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