ProvokationenIm Kampf mit dem Rest der Welt: Die des Viktor Orbán

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Regierung von Orbán hat mit einer Reihe von Entscheidungen Unmut hervorgerufen: Staatsbürgerschaften für ungarische Minderheit, ein neues Mediengesetz und der Kampf gegen den IWF sorgen im Ausland für Kritik.

Budapest/Bpo. Seit ihrem Antritt im Mai 2010 hat die Regierung von Viktor Orbán mit einer Reihe von Entscheidungen den Unmut des Auslands hervorgerufen. Begonnen hat alles mit der Verabschiedung des Doppelstaatsbürgerschaftsgesetzes. Es ermöglicht die vereinfachte Einbürgerung jener 2,5 Millionen ethnischer Ungarn, die als Minderheiten in Ungarns Nachbarländern leben. Das Gesetz führte zu einer Verschärfung der Spannungen mit der Slowakei.

Wenig später folgte der Eklat bei den Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Regierung Orbán rief zum „nationalen Freiheitskampf“ auf und weigerte sich, die IWF-Auflagen zu befolgen. Daraufhin reiste eine Verhandlungsdelegation Hals über Kopf aus Budapest ab. Zwei Jahre zuvor, unter der Regierung von Ferenc Gyurcsány, hatte Ungarn von IWF und EU noch einen Stand-by-Kredit von rund 20 Milliarden Euro bekommen, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden.

Eine weitere Entscheidung der Regierung Orbán, die auch jenseits der ungarischen Grenzen für Kopfschütteln sorgte, war die Verstaatlichung jener Gelder, die von rund drei Millionen Ungarn in den Privatpensionskassen gehortet worden waren. Das Geld, knapp drei Billionen Forint (10,6 Milliarden Euro), wurde zum Stopfen von Budgetlöchern, zur Senkung der horrenden Staatsverschuldung und den Kauf von mehr als 20 Prozent der Anteile am ungarischen Mineralölkonzern MOL ausgegeben.

Unmutsbekundungen im Ausland löste auch die Einführung mehrerer Sondersteuern aus. Von diesen sind seit dem Vorjahr neben dem Bankenwesen („Bankensteuer“) die Sektoren Telekommunikation, Großhandel und Energie betroffen, also Bereiche des öffentlichen Lebens, die von ausländischen Unternehmen beherrscht werden.

„Defizite“ bei Verfassung

Für Empörungsstürme sorgte Ende 2010 das neue Mediengesetz. Zahlreiche ungarische Zeitungen erschienen damals aus Protest mit leeren Titelseiten. Die linksliberale „Népszabadság“ druckte auf ihrem Titelblatt in allen Sprachen der EU den Satz ab, dass es in Ungarn keine Pressefreiheit mehr gebe. Kritiker des Mediengesetzes führen vor allem ins Treffen, dass die „allmächtige“ Medienbehörde aufgrund ihrer Zusammensetzung Orbáns „verlängerter Arm“ sei und gleichsam Narrenfreiheit genieße.

In diesem Jahr rief vor allem die im Frühjahr verabschiedete neue Verfassung Ungarns Naserümpfen hervor. Die Venedig-Kommission des Europarates etwa stellte in ihr zahlreiche Defizite fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2011)

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