Präsident sitzt zwischen allen Stühlen. Von seiner hochfliegender Rhetorik ist Desillusionierung geblieben. Zusehends schwindet der Einfluss Washingtons im Nahen Osten. Mittlerweile droht Obama zu Hause Ungemach.
Washington. Monatelang sah Washington das Dilemma im Nahost-Konflikt auf sich zukommen. Quasi in letzter Minute vor dem Showdown im UN-Glaspalast am East River in New York entsandte die US-Regierung zwei Unterhändler in die Region.
Es ist eine höchst delikate Mission für Dennis Ross und David Hale. In einer Pendeldiplomatie zwischen Jerusalem und Ramallah sollen sie die Palästinenser dazu animieren, den Antrag auf Mitgliedschaft in der UNO zurückzuziehen und sich vorderhand mit einer Kompromissformel zufriedenzugeben. Zugleich versuchen sie, Israel Konzessionen für Friedensgespräche abzuringen.
Die USA haben ihre Position in dem Polit-Schach von vornherein abgesteckt. Präsident Barack Obama erklärte ohne Umschweife, die USA würden ein Veto gegen einen Palästinenserstaat einlegen. Und Außenministerin Hillary Clinton fasste die US-Haltung klipp und klar zusammen: „Der einzige Weg für eine endgültige Lösung liegt in direkten Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Diese Route führt über Jerusalem und Ramallah, nicht über New York.“
Wenn es hart auf hart kommt, haben sich die USA stets als Schutzmacht Israels profiliert. Doch gerät Washington in der heiklen Nahost-Frage zusehends in Isolation. Vor allem Obama, der zu Amtsbeginn so große Hoffnungen geweckt und noch vor einem Jahr im Weißen Haus einen Nahost-Gipfel einberufen hat – damals mit Ägyptens inzwischen gestürztem Präsidenten Hosni Mubarak –, sitzt zwischen allen Stühlen.
Zweischneidiges Schwert
Der US-Präsident schwingt in seiner Argumentation ein zweischneidiges Schwert. Wie soll er den Palästinensern ihr demokratisches Recht verweigern, obwohl er dies von Tunesien bis Syrien überall propagiert? US-Diplomaten warnten sowohl Palästinenser wie Israelis, ein diplomatischer Konflikt in der UNO könnte den ohnedies aufgewühlten Nahen Osten in noch heftigere Turbulenzen stürzen. Ein US-Veto könnte allerdings erst recht einen Tumult herbeiführen und die Rolle Washingtons als glaubhaften Mittler weiter dezimieren. Der Einfluss Washingtons in der arabischen Welt sei teils drastisch geschwunden, monieren US-Nahostexperten unisono.
Hohl klingen die Versprechen Obamas für einen dauerhaften Nahost-Frieden. Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas sieht sich getäuscht, Israels Premier Benjamin Netanjahu hat jede Initiative Washingtons zu einem Siedlungsstopp abblitzen lassen und Obama zudem wiederholt brüskiert.
Der von Obama installierte Nahost-Sonderbotschafter George Mitchell gab heuer im Frühjahr frustriert auf. Die Vermittlungsversuche sind im Sande verlaufen, Obama steht vor einem Scherbenhaufen. Selbst wenn Moses, Jesus und Mohammed vom Himmel herabgestiegen wären, hätte dies nichts gefruchtet, glaubt indes Nahost-Experte Aaron David Miller.
Der Demokrat John Kerry resümiert dennoch bitter: „Wir haben eineinhalb Jahre verschwendet.“ John Bolton, UN-Botschafter unter George W. Bush, wirft Obama Inkompetenz und Schwäche vor. 1989 haben die USA der UNO bei einem ähnlichen Antrag zu einem Palästinenserstaat noch mit dem Entzug der Finanzhilfe gedroht, erinnert er sich.
Zu allem Überdruss beginnen sich jetzt auch die jüdischen Wähler von Obama abzuwenden. Nur noch 55 Prozent heißen seine Politik gut. Bei einer Nachwahl in New York erlitten die Demokraten jüngst eine krachende Niederlage. „Eine Botschaft an Obama“, so lautet das Verdikt des New Yorker Ex-Bürgermeisters Ed Koch. Miller sagt: „Für Obama ist das Ganze eine einzige Wurzelbehandlung.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2011)