Papst in Berlin: „Bin gekommen, um über Gott zu sprechen“

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Zwischen Jubel und Protesten will Benedikt XVI. die guten Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und seiner Heimat weiter festigen. Religion sei ein wichtiges Fundament für den Zusammenhalt.

Berlin. Es war ein würdiger Empfang für Papst Benedikt XVI., Donnerstagvormittag auf dem Flughafen Berlin Tegel. Militärische Ehren, Begrüßung durch Bundespräsident Christian Wulff und Regierungschefin Angela Merkel (CDU). Für das Oberhaupt der katholischen Kirche war ein extralanger und -breiter roter Teppich ausgerollt. Sämtliche Minister waren angetreten, Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die wie der Papst aus Bayern stammt, gar in Tracht. Während des Flugs über Österreich hatte Benedikt XVI. Bundespräsident Heinz Fischer per Telegramm aufrichtige Grüße an die Bevölkerung übermittelt.

Empfang würdig und windig

Würdig war der Empfang in der deutschen Hauptstadt – und windig. Immer wieder musste sich Benedikt XVI. seinen wehenden weißen Umhang vom Kopf streichen, um sein jeweiliges Gegenüber sehen zu können. Stürmisch sind auch die Zeiten, in denen der Papst seine Heimat besucht, für die katholische Kirche Deutschland. Nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle sind allein 2010 81.000 Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Die großen Plakate mit der Aufschrift „Willkommen, Heiliger Vater“ sprechen nicht der gesamten Bevölkerung aus der Seele. „Not welcome“, so steht es in dicken Lettern auf den Transparenten der Gegner des Papstes, die schon am Vorabend des Besuchs vor der CDU-Parteizentrale demonstrierten. Eine größere Anti-Papst-Kundgebung folgte am Donnerstagnachmittag, ausgehend vom Potsdamer Platz, während nicht weit davon entfernt Benedikt XVI. im Bundestag sprach.

Er wandte sich an die Abgeordneten „als Landsmann, der sich lebenslang seiner deutschen Heimat verbunden weiß“. Unter Berufung auf die Bibel erklärte der Papst: „Worauf es für Politiker letzten Endes ankommt, ist die Mühe um Gerechtigkeit, um so die Voraussetzung für Frieden zu schaffen.“ Um Recht und Unrecht, wie etwa unter dem Nazi-Regime, kreiste die Rede Benedikts XVI., um Vernunft, Ethos und Herausforderungen in der heutigen Zeit.

Die Religion sei ein wichtiges Fundament für den Zusammenhalt, hat der Papst zum Auftakt seines Besuches betont, und die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der Religion beklagt; er sei gekommen, „um den Menschen zu begegnen und mit ihnen über Gott zu sprechen“. Der Bundespräsident sagte, die Kirche sei immer wieder von neuen Fragen herausgefordert. „Wie barmherzig geht sie mit Brüchen in den Lebensgeschichten der Menschen um?“ Der Katholik Wulff ist geschieden und wiederverheiratet und aus Sicht der Kirche von der Kommunion ausgeschlossen.

Heikle Themen

„Was tut die Kirche mit den Brüchen in ihrer eigenen Geschichte und mit dem Fehlverhalten von Amtsträgern?“, fragte Wulff, „was tut sie, um ihre eigene Spaltung in katholisch, evangelisch und orthodox zu überwinden?“ Wie der Bundespräsident betonte auch Merkel die Bedeutung der Ökumene.

Ob der Papst auf diese Fragen Antworten zu geben bereit ist, wird sich im weiteren Verlauf seiner Visite zeigen, die ihn bis Sonntag noch nach Erfurt und Freiburg führt. Am Donnerstag war jedenfalls ein Treffen mit Missbrauchsopfern vorgesehen, das Benedikt XVI. besonders am Herzen lag. Für Kirchenaustritte als Folge des Missbrauchsskandals äußerte er Verständnis, vor allem bei Menschen, die Opfern nahestünden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2011)

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