Spindelegger: "Das wäre ein Koalitionsbruch"

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Außenminister Spindelegger sieht "unglaublichen Aufklärungsbedarf" in Faymanns Inseraten-Affäre, schreckt aber vor einem U-Ausschuss zurück. Den USA wirft er vor, nie objektiv im Nahen Osten gewesen zu sein.

Bei der UN-Vollversammlung in New York war viel vom Nahost-Stillstand die Rede. Wie wollen Sie nach Ihrer Rückkehr den Stillstand in der Regierung überwinden?

Michael Spindelegger: Man muss die Kirche im Dorf lassen. Wir haben uns am Semmering auf einen Zeitplan für die zweite Hälfte der Periode geeinigt. Und der wird Stück für Stück abgearbeitet.

Zuletzt haben die Koalitionspartner statt Reformideen eher Unnettigkeiten ausgetauscht?

Das kommt immer wieder vor, wenn zwei völlig unterschiedliche Partner Kompromisse finden müssen.

Die Regierungsparteien sind offenbar in den Wahlkampfmodus übergegangen.

Ich will das nicht. Ich möchte konstruktiv arbeiten, aber nicht in einer Einheitspartei aufgehen.

Salzburgs VP-Chef Haslinger hat Bundeskanzler Faymann als destruktives Element bezeichnet. Eine zutreffende Beobachtung?

Ich halte nichts von Untergriffen und Beleidigungen, aber man muss auch sehen, wo die Äußerungen gefallen sind: beim Huberti-Treffen in einem Bierkeller. Da darf man die Worte nicht auf die Goldwaage legen.

Haslauer hat auch gesagt, dass sich Faymann mit Inseraten wohlwollende Berichterstattung in Boulevardmedien kauft. Würden Sie ihm auch da widersprechen?

Ich sehe unglaublichen Aufklärungsbedarf. Es kann in Österreich nicht sein, dass man sich Berichterstattung kauft. Wir sollten ein neues Presseförderungssystem aufstellen und Regierungsinserate von einer unabhängigen Kommission objektivieren und überwachen lassen. Ich hätte aber auch überhaupt keinen Schmerz, Regierungsinserate ganz abzuschaffen und die Presseförderung anzuheben.

Der ÖVP-Klub drängt auf einen Untersuchungsausschuss im Parlament. Sie auch?

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Dort ist die derzeitige Causa gut aufgehoben. Ob da noch mehr nachkommt, weiß ich nicht. Wir müssen reinen Tisch machen, und zwar in allen Affären, egal ob das Telekom, Blaufunk oder der Inseratenfall ist. Ein Untersuchungsausschuss ist aber nicht die Lösung für alles.

Verhindern Sie einen U-Ausschuss, um das Koalitionsklima nicht weiter zu vergiften?

Man muss alles wieder in realistischere Bahnen lenken. Klar ist, es wäre ein Bruch des Koalitionsvertrages, wenn wir uns im Parlament überstimmen.

Zur UNO-Versammlung: PLO-Chef Abbas hat erklärt, dass er nur dann mit Israel verhandeln will, wenn es aufhört, Siedlungen zu bauen. Ist damit der Friedensplan des Nahost-Quartetts schon wieder am Ende?

Das ist ein großes Hindernis, ebenso wie Netanjahus Forderung, dass Israel als jüdischer Staat anerkannt werden müsse. Ich glaube aber, dass die Palästinenser trotzdem über diese Hürde springen, wenn eine konkrete Chance direkter Verhandlungen besteht.

Kann man von Israel nicht verlangen, den Siedlungsbau noch einmal einzufrieren?

Das kann man schon, aber ich fürchte, sie werden es einfach nicht tun.

Sie haben behauptet, in Nahost würde sich eine Gelegenheit für die EU bieten, aus dem Schatten der USA zu treten. Denken Sie wirklich, dass die EU geeint genug dafür ist?

Die Hohe Repräsentantin der EU, Catherine Ashton, hat einen guten Job gemacht. Wenn das Nahost-Quartett (USA, Russland, EU, UNO, Anm.) an einem Strang zieht, ist es schwer für ein Land, dagegen anzukämpfen. Momentan gibt den Ton im Quartett die EU an. Das hat auch US-Außenministerin Clinton zugestanden.

Verlieren die USA wegen ihrer Nähe zu Israel ihre Rolle als objektiver Makler?

Objektiv agierten die USA auch in der Vergangenheit nicht. Die Supermacht hat an Strahlkraft verloren. Entscheidend ist, ob die Europäer an ihre Stelle treten können. Bis jetzt gelingt das.

Erfüllen die Palästinenser derzeit überhaupt die Kriterien, um von Österreich als Staat anerkannt zu werden?

Ja und nein. Es gibt derzeit keine einheitliche Staatsgewalt. Die Hamas kontrolliert den Gazastreifen. Die Frage der Anerkennung wird überbewertet. Entscheidend ist es, Friede zu schaffen.

Sie haben in New York auch den türkischen Außenminister Davutoglu getroffen. Sind Sie noch verstimmt, weil die Türkei Ursula Plassnik als OSZE-Chefin abgeschossen hat?

Ich fand die Angelegenheit nicht sehr erfreulich. Es war deshalb wichtig, das es ein klärendes Vieraugengespräch mit Davutoglu gibt. Wir haben uns in New York ausgeredet. Damit ist die Sache für mich erledigt.

Es waren heuer erstmals in der Geschichte drei Spitzen bei der Generalversammlung. War das notwendig?

Ich halte es für klug, möglichst viele außenpolitische Kontakte zu pflegen.

War Bundeskanzler Faymann eine außenpolitische Hilfe für Sie in New York?

(Spindelegger lächelt und schweigt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2011)

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