Die Palästinenser sind unzufrieden mit den Vorschlägen des "Nahost-Quartetts" USA, UN, EU und Russland und dessen Vorstellungen, wie der Friedensprozess wieder in Gang gebracht werden soll.
Jerusalem. Es sollte ein Tsunami drohen, doch dann wurde es vorerst nur ein Nieselregen, ohne Massendemonstrationen und ohne historische Entscheidungen. Während der Sicherheitsrat in New York den Auftrag hat, über die staatliche Anerkennung und UN-Mitgliedschaft des künftigen Palästinas nachzudenken, kam die PLO-Führung gestern (Sonntag) in Ramallah zusammen, über eine erneute Initiative des „Nahost-Quartetts“, bestehend aus den USA, UN, EU und Russland, zu beraten.
Verhandlungen in vier Wochen
Die westlichen Diplomaten geben die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des nahöstlichen Friedensprozesses nicht auf. Innerhalb von vier Wochen sollen die beiden Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückkehren. „Nicht ohne Siedlungsbaustopp“, signalisierten die Palästinenser schon am Wochenende.
Schon jetzt plant Palästinenserchef Mahmoud Abbas Veränderungen an den Mitte der 90er-Jahre zwischen Israel und der PLO getroffenen Vereinbarungen. So müsse das Pariser Abkommen, ein Anhang der Osloer Prinzipienerklärung, neu verhandelt werden, da es die Produktionsmöglichkeiten sowie die Nutzung des palästinensischen Landes einschränke, erklärte Abbas. „Das Abkommen ist unfair“, sagte er, und es erschwere das Ziel der Palästinenser, die internationale Finanzhilfe unnötig werden zu lassen. Israels Premier Benjamin Netanjahu hat seit Beginn seiner Regierungszeit die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westjordanland vorangetrieben. An dem Exportvolumen der Palästinenser änderte sich dennoch wenig.
Abbas über Netanjahu enttäuscht
Die PLO rechnet „mit Wochen, nicht mit Monaten“, so Abbas, bis zur Entscheidung des UN-Sicherheitsrates. Andernfalls würden die Palästinenser erwägen, doch noch vor der UN-Generalversammlung die Anerkennung des Staates Palästina zu beantragen. Abbas gab sich offen enttäuscht über Netanjahu, der der strikteste aller israelischen Regierungschefs sei, mit denen er seit Beginn des Friedensprozesses vor knapp 20 Jahren zusammengekommen ist.
Neuanfang eines kalten Krieges?
In Jerusalem stieß die Quartett-Initiative auf offene Ohren. Netanjahu hatte wiederholt seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme von Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ signalisiert. Ein erneuter Siedlungsbaustopp steht für die aktuelle israelische Koalition außer Frage. „Die Quintessenz“, so schrieb der politische Analyst Jossi Werter in „Haaretz“, sei der „Neuanfang eines kalten Krieges mit den Palästinensern.“ Und das, so setzt er hinzu, „passt Netanjahu gut“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2011)