Internet: Suche nach der Liebesformel

Internet Suche nach Liebesformel
Internet Suche nach Liebesformel(c) Lilian Panholzer
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Immer mehr Menschen gehen im Internet auf Partnersuche. Aber wissen sie eigentlich selbst, was sie wollen? Und siegt am Ende der Algorithmus – oder doch die Intuition?

Der erste Eindruck: ernüchternd und frustrierend. Tief im dunkelroten Bereich steht der Zeiger des Popularitätsbarometers. Da hätte sich Badoo.com für den Besucher, dessen Profil (samt Bild) erst seit Sekunden online ist, eine höflichere Begrüßung einfallen lassen können. Doch Höflichkeit scheint hier nicht oberstes Prinzip zu sein, hier geht es anders zu: schnell, spontan und ungezwungen. Jeder kann jeden sehen – und mit jedem Klick aufs Profil steigt die Popularität, wenig später stellt sich mit einem „Na hallo“ der erste Kandidat zum Plaudern ein.

Nach Singlechats, Partnervermittlungen und Seitensprungportalen ist Badoo.com eine der neuesten Möglichkeiten, mit unbekannten Menschen in Kontakt zu treten. Seinen Ausgang nahm das von einem Russen gegründete Unternehmen 2006 in Spanien, von dort eroberte es Südeuropa und Lateinamerika. Im heurigen Jänner wurde die 100-Millionen-Nutzer-Grenze geknackt, inzwischen sind es 127 Millionen, 500.000 davon im deutschsprachigen Raum. Das Rezept: „Social Dating“, eine Mischung aus sozialem Netzwerk und Onlinedating. „Wir wollen niemanden stundenlang vor dem Computer halten, wo er dann erfährt, dass ein Bekannter ein Keks gegessen hat“, sagt Jessica Powell, Marketingvorstand von Badoo und diese Woche als Teilnehmerin der Startup Week in Wien. „Uns geht es darum, Menschen mit neuen Leuten zu verbinden, die sie treffen können.“


Wiein der Bar.
Weshalb die Selektion in erster Linie nicht nach Interessen, sondern rein lokal verläuft: Man sieht, wer sich in Wien so tummelt – auf Wunsch mittels Geolocation auch punktgenau wo – und kann entscheiden, ob man mit jemandem „ein Bier trinken“, „chillen“ oder doch ein Date wagen will. „Badoo ist eigentlich wie eine Bar“, sagt Powell, die bis vor einem Monat noch Googles PR-Agenden in Asien und dem Pazifikraum managte. „Es geht um Spaß und Möglichkeiten, die verloren gehen, wenn man ganz genau nachfragt, welchen Partner sich die Leute vorstellen. Ich zum Beispiel würde groß, blond, blauäugig angeben. Alle Männer, mit denen ich jemals ausgegangen bin, waren kleiner als ich und hatten braune Haare.“

Es ist genau dieses unberechenbare Element der Liebe, das auch traditionellen Datingseiten zunehmend bewusst wird. Branchenriese Match.com etwa hat in den letzten zwei Jahren einen neuen Algorithmus entwickelt, der nicht nur Kandidaten mit den explizit gewünschten Eigenschaften offeriert, sondern auch das Verhalten des Liebessuchenden beobachtet. Wer Glatzen ausschließt, um dann doch immer wieder Männer mit mangelnder Haarpracht anzuklicken, muss ein Faible haben, folgert der Computer – oder zumindest ist das Manko nicht so schlimm.


Persönlichkeitstest. Wieder anders funktioniert die Kuppelei bei Partneragenturen wie Parship, die sich langfristige Beziehungen als Ziel gesetzt haben. Bei Parship liegen nicht ein paar Fragebögen, sondern einige Jahrzehnte Partnerforschung zugrunde. Und der Kunde wird, abgesehen von ein paar äußeren Wunschparametern wie Alter und Wohnort, erst gar nicht nach seiner Meinung gefragt. Stattdessen werden in einem gut halbstündigen Prozedere relevante Merkmale seiner sogenannten Partnerpersönlichkeit erhoben. Da muss man Traumszenen Titel geben und deklarieren, ob man bei offenem Fenster schläft.

Am Ende werden Interessen, Gewohnheiten, Kommunikationsverhalten und Persönlichkeit nach Algorithmen gematcht – wobei die Persönlichkeit mit 75 Prozent am stärksten gewichtet wird. „Das Ziel“, erklärt Parship-Psychologin Caroline Erb, „ist eine stimmige Balance aus Ähnlichkeiten und Gegensätzen.“ So sollten sich etwa die Vorstellungen von einer Beziehung decken, aber nicht unbedingt zwei Dickköpfe aufeinanderprallen.


Rivalen. Peter Gromes hat alle Möglichkeiten schon durch: Er war auf love.at und Parship, seit einem halben Jahr versucht er sein Glück auf Badoo. Zwei (eher kurze) Beziehungen sind so bereits entstanden. Er schätzt das unmittelbare Feedback – allerdings, berichtet der 36-jährige Wiener Grafiker, sei es ob der vielen chatwilligen Rivalen nicht einfach, bei den Damen überhaupt Gehör zu finden. Auch hätten manche der Frauen schlechte Erfahrungen mit Bewerbern gemacht, die allzu direkt offline zur Sache kommen wollten.

Das hiesige Image als rein sexuelle Kontaktanbahnungsschiene ist auch Jessica Powell durchaus bewusst. „Dabei ist viel mehr möglich“; sie selbst sei gerade von Japan nach London gezogen und habe auf Badoo schon eine neue Freundin gefunden. „Sobald an einem Ort eine kritische Masse an Mitgliedern erreicht ist,“ versichert sie, „ist für jeden etwas dabei.“ Peter Gromes hat sich immerhin als netter Auskunftgeber entpuppt – und nach einem Tag befindet sich sogar der unerbittliche Popularitätsmesser im grünen Bereich.

leute treffen

260.000 Österreicher fanden 2010 einen Partner im Web – zunehmend auch über Seiten wie Zoosk oder Badoo.Badoo ist lokal strukturiert und gratis, Zusatzfeatures („Super Powers“) sind kostenpflichtig. Laut Unternehmen führen 50 Prozent der Onlinechats zu einem echten Treffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2011)

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