Die Demonstranten jubeln, da die Behörden die für heute geplante Reinigung des Protestgeländes kurzfristig verschoben haben.
Die befürchtete Konfrontation zwischen den Demonstranten an der New Yorker Wall Street und der Polizei ist ausgeblieben. Die Stadt sagte die für Freitag in der Früh geplante Reinigung des von den Protestlern besetzten Zuccotti-Parks kurzfristig ab. Die Aktion werde vorerst verschoben, hieß es nur eine halbe Stunde vor dem geplanten Beginn um 7.00 Uhr früh. Die Demonstranten, die die Fläche unweit der Wall Street seit vier Wochen besetzt halten, jubelten.
"Wenn das Volk vereinigt ist, kann es nicht besiegt werden", skandierten einige. Es waren auch Schilder zu sehen mit der Aufschrift "Der Klassenkampf beginnt hier!". Die Demonstranten betonten, dass ihr Protest friedlich sein solle. Sie würden aber nicht weichen.
Seit etwa einem Monat kampieren Aktivisten unter dem Motto "Occupy Wall Street" im kleinen Zuccotti-Park nördlich der Banken- und Börsenstraße. Aus den ursprünglich ein paar Dutzend Studenten sind mittlerweile mehrere Hundert Menschen geworden, denen die Macht der Banken zu groß ist und die höhere Steuern für Reiche und Großunternehmen fordern. Zu einer Demonstration in der vergangenen Woche waren 7000 Menschen gekommen. Immer wieder gab es Festnahmen, die Proteste blieben aber weitgehend friedlich.
Anrainer fürchteten sich angeblich vor Ungeziefer
Eigentlich hatten am Freitag um 7 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr MESZ) Putzkolonnen anrücken sollen, um den Park von Dreck zu reinigen, wie es Bürgermeister Michael Bloomberg angekündigt hatte. Das Gelände, das eigentlich eher eine spärlich begrünte Betonfläche ist, könne die Last der vielen Menschen nicht tragen. Anrainer hätten befürchtet, dass die völlig überfüllten Mistkübel Ratten und Ungeziefer anlockten. Der Park sollte mit Hochdruckreinigern gesäubert werden, dann dürften die Demonstranten zurück - Zelte und Schlafsäcke würden allerdings nicht mehr geduldet. Die Protestler hatten befürchtet, dass sie unter diesem Vorwand dauerhaft vertrieben werden sollten, und zum Widerstand aufgerufen.
Protestwelle erfasst Washington
"Wir sind die 99 Prozent", riefen die Demonstranten in Sprechchören, als die Verschiebung der Räumung eine halbe Stunde vor deren angesetztem Beginn verkündet wurde. "1:0 für die 99 Prozent", schrieben Unterstützer im Chat der Aktion. Die Demonstranten sehen sich als Vertreter der breiten Mehrheit der Bevölkerung, die unter wirtschaftlichen Problemen leide, während das eine Prozent der Finanzelite sich auf ihre Kosten bereichere. "Dies ist eine Notsituation", hatte die Gruppe, die mit Schlafsäcken im Park campiert, auf ihrer Website geschrieben und damit etliche Unterstützer mobilisiert. "Haltet Bloomberg und Kelly davon ab, "Occupy Wall Street" gewaltsam zu vertreiben", lautete der Aufruf. Ray Kelly ist der Polizeichef der Millionenmetropole und für sein hartes Durchgreifen bekannt. Im Laufe der Demonstrationen hatte es bereits Hunderte Festnahmen gegeben; die Protestler beklagten sich über rüde Polizeimethoden.
"Occupy Wall Street" in Wien
Am Samstag, 15. Oktober, erreicht die "Occupy Wall Street"-Bewegung übrigens auch Österreich. Den ganzen Tag über sind Aktionen geplant, unter anderem die "Besetzung" des Wiener Heldenplatzes.
Vor einem Monat begannen die Demonstrationen gegen die Wall Street. Mittlerweile zeigen auch Merkel und Barroso Verständnis für die Anliegen der Besetzer. Obwohl sie konkrete Ideen nach wie vor schuldig bleiben.
Entsteht aus der Occupy-Bewegung eine neue außerparlamentarische Opposition? Könnte diese die Politik dazu ermutigen, das verlorene "Primat über die Wirtschaft" wiederzuerlangen?