Polen vor der Euro: Hoffnung liegt in Kuba

Polen Euro Hoffnung liegt
Polen Euro Hoffnung liegt(c) EPA (KIM HEE-CHUL)
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Es sind noch 222 Tage bis zum Eröffnungsspiel der Euro 2012 in Polen und der Ukraine. Kogastgeberland Polen ist die größte Baustelle Europas. Gebaut wird an den Straßen, den Stadien und dem Team.

Robert Lewandowski, Łukasz Piszczek und Jakub „Kuba“ Błaszczykowski. So heißen drei der wertvollsten Spieler des polnischen Nationaltrainers Franciszek Smuda für die Fußball-Europameisterschaft 2012 im eigenen Land. Das weiß-rote Dreieck, das beim deutschen Meister Borussia Dortmund unter Vertrag ist, hat eine kleine mediale Hysterie in Polen ausgelöst. So gibt es auf der Webseite der Gazeta Wyborcza, der größten überregionalen Tageszeitung des Landes, bei jedem BVB-Spiel einen nicht übersehbaren Live-Ticker. Schwarz-Gelb ist die neue Modefarbe geworden, der Traditionsverein im Ruhrpott wurde heimlich in „Polonia Dortmund“ umgetauft. Lewandowski oder „Lewy“ (auf Deutsch übersetzt „Linker“), wie der 23-jährige Stürmer der Borussia auch genannt wird, hat in der jüngsten Vergangenheit aufhorchen lassen und wird von Fußballexperten unisono gelobt. Zum Beispiel von Mirosław Szymkowiak, Sportkommentator und ehemaligem Teamspieler, der ihn mit Gonzalo Higuain von Real Madrid auf eine Stufe stellt. Zurecht, denn Lewandowski, ein gebürtiger Warschauer, befindet sich in bestechender Form. In der Scorer-Liste der deutschen Bundesliga ist er ganz vorn dabei. Auch in der Champions League und im deutschen Cup-Bewerb konnte er sich in die Schützenliste eintragen. Schon bei seinem früheren Verein Lech Poznań (Posen) traf er nach Belieben. Lewandowski wird sich freuen, dass die Euro in seinem Heimatland sowohl in seinem Geburtsort Warschau als auch in Posen ausgetragen wird.

Fußballstadien sind noch Baustellen. In der größten der vier Spielstätten, dem Warschauer Stadion Narodowy (Nationalstadion), wird am 8. Juni 2012 das Eröffnungsspiel der Euro stattfinden. Noch befindet es sich im Bauzustand: Die innerpolnische Inauguration geht am 11. Februar 2012 mit einem Ligaspiel über die Bühne, die internationale Einweihung am 29. Februar 2012 mit dem Freundschaftsspiel Polen gegen Portugal. Das Stadion Miejski in Posen wurde hingegen bereits 2010 errichtet. 100 Prozent EM-tauglich ist es aber trotzdem noch nicht. Das liegt in erster Linie an der Infrastruktur rund um das Objekt.

Bis Jahresende sollen diese Arbeiten aber fertig gestellt werden. Die beiden anderen Spielstätten sind in Gdańsk (Danzig) und Wrocław (Breslau). Die an einen überdimensionalen Bernstein erinnernde PGE-Arena an der Ostsee ist wohl das Aushängeschild Polens bei der EM-Endrunde. Für Kickerlegende Grzegorz Lato, seit 2008 der Präsident des Fußballverbandes PZPN, ist sie „eines der schönsten Objekte Europas“. Eröffnet wurde das Stadion mit dem Freundschaftsspiel der Gastgeber gegen Nachbarland Deutschland am 6. September (Ergebnis: 2:2). „Die noch offenen Arbeiten sind gering, größtenteils kosmetischer Natur“, sagt ein Sprecher des Klubs Lechia Gdańsk der „Gazeta Wyborcza“. Bleibt noch das städtische Stadion Breslau, das am 11. November erstmalig auf dem Prüfstand steht.

Polnische Fremdenlegionäre. Dann wird das polnische Team in einem Freundschaftsmatch gegen Italien versuchen, seine kleine Serie in den vergangenen fünf Partien – zwei Siege, drei Unentschieden – zu prolongieren. Allein in den letzten drei Spielen fielen sechs Treffer. Jeweils drei Tore gingen auf die Konten des 23-jährigen Lewandowski und Błaszczykowski. „Kuba“, dieser Spitzname steht auf dem Trikot des 25-Jährigen, hat mit der Ersatzbank Dortmunds eine On/Off-Beziehung. Nichtsdestoweniger hält ihm der polnische Coach die Stange. Erst in dieser Woche erklärte Franciszek Smuda, dass Kuba auf jeden Fall die Kapitänsbinde bei der EM-Endrunde tragen werde, auch wenn er beim BVB nicht zum Einsatz kommen sollte. Auch bei der Tormannposition hat sich Smuda bereits festgelegt. Zwar ist Wojciech Szczęsny erst 21 Jahre, dafür die Nummer eins bei Arsenal. Erst gestern absolvierte er für die Gunners das Londoner Derby gegen den FC Chelsea. Es geriet bekanntlich zu einem Spiel der Superlative. Arsenal siegte an der Stamford Bridge 5:3. Der junge Szczęsny lieferte eine fehlerfreie Partie ab.

Polens Teamkeeper sammelt auch in der Champions League wertvolle Erfahrung in Hinblick auf die Euro, genauso wie Mittelfeldspieler Ludovic Obraniak bei OSC Lille. Der französisch-polnische Doppelstaatsbürger hat 2009 eine kleine Einbürgerungswelle losgetreten. Ihm folgten die Deutsch-Polen Sebastian Boenisch (bei Werder Bremen unter Vertrag) und Eugen Polanski (Mainz 05) sowie Damien Perquis (FC Sochaux), ein weiterer französischstämmiger Spieler mit polnischer Familienhistorie. Diese Rekrutierung stieß in diversen Internetforen nicht nur auf Wohlwollen: Der Begriff „Fremdenlegion“ fiel beispielsweise. Polanski, der erst im August sein Debüt im Nationaldress feierte, wurde aufgrund seiner nicht perfekten Kenntnisse der polnischen Sprache verspottet.

Die Einbürgerungen hatten zufolge, dass sich der polnische Kader im ständigen Wandel befindet. „Trainer Smuda experimentiert weiterhin mit der Aufstellung, wobei es langsam an der Zeit wäre, ein Team kreieren“, sagt Arkadiusz Wierzuk vom Nachrichtensender TVN24. Der Fernsehreporter mit EM-Erfahrung – er berichtete 2008 aus der Schweiz und Österreich – ergänzt im Interview mit „DiePresse.com/Sonntag“: „Das Land ist eine große Baustelle.“ Gemeint sind nicht nur die 700 Kilometer Autobahn, die bis Juni 2012 fertiggestellt werden sollen, und die Spielstätten, sondern eben auch das Team rund um Kuba, Kuba Błaszczykowski.

euro 2012: die Fakten

16
Die 14. Endrunde in Polen und der Ukraine wird die letzte EM sein, die mit 16 Teams ausgetragen wird. Die Auslosung erfolgt am 2. Dezember in Kiew. Das Eröffnungsspiel steigt am 8. Juni in Warschau, das Finale am 1. Juli in Kiew.

2016
Bei der Euro 2016 in Frankreich werden erstmals 24 Teams teilnehmen.

100
Am 29. Februar 2012 – 100 Tage vor Beginn der Euro – spielt Polen gegen Portugal im neuen Nationalstadion in Warschau.

84 Millionen
In Polen und der Ukraine leben rund 84Millionen Menschen (Polen: 38 Mio., Ukraine: 46 Mio.).

0
Die Ukraine erlebt im eigenen Land eine Premiere: Der seit 1991 unabhängige Staat war noch nie bei einer Europameisterschaft dabei. Polen durfte bereits einmal Euroluft schnuppern. Mit nur einem Punkt landeten die Weiß-Roten in der Österreich-Gruppe aber nur auf Rang vier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2011)

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