Murdoch-Blatt: „Unbewusst Mafia-Pate“

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Chef des „News International“-Konzerns bestreitet weiter, von illegaler Abhörpraxis seiner Journalisten gewusst zu haben. Murdoch entschuldigte sich mehrfach für die Praktiken bei „News of The World“.

London/J.k. „Mafia-Boss“ oder „nachlässiger, naiver Topmanager“: Gegen diese beiden Charakterisierungen seiner Rolle im Abhörskandal um das im heurigen Sommer eingestellte britische Boulevardblatt „News of the World“ versuchte sich der Chef des Medienkonzerns „News International“, James Murdoch (38), gestern bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss im britischen Parlament zu verteidigen.

Knapp drei Stunden wurde der jüngste Sohn von Konzern-Oberboss Rupert Murdoch (80) von den elf Abgeordneten, die schon seit Jahren den größten Medienskandal der britischen Nachkriegsgeschichte untersuchen, gegrillt. Doch der angeschlagene Manager blieb eisern: Er habe den Ausschuss bei seiner ersten Vernehmung im Juli, damals gemeinsam mit seinem Vater, nicht getäuscht – und nicht schon seit Jahren von dem fast industriellen Ausmaß der illegalen Abhörpraxis des Murdoch-Blatts „News of the World“ gewusst.

Der ehemalige Chefredakteur und der Justitiar der Zeitung hatten zuvor behauptet, Murdoch schon im Juni 2008 umfassend über die „kriminelle Kultur“ bei der Zeitung informiert zu haben, was James Murdoch bestreitet. Nun steht Aussage gegen Aussage. Allerdings musste der designierte Nachfolger von Konzerngründer Rupert Murdoch einräumen, dass er auch nicht weiter nachfragte: Als viel beschäftigtes Vorstandsmitglied mit Zuständigkeiten in Europa und Asien habe er sich nicht mit allen Details bei der kleinsten Zeitung des Konzerns beschäftigen können. Der Labour-Abgeordnete Tom Watson erklärte darauf: „Sie müssen der einzige Mafia-Boss sein, der nicht weiß, dass er Chef einer kriminellen Vereinigung ist.“ Sein liberaldemokratischer Kollege Adrian Sanders sagte: „Wäre ich Aktionär von News Corporation, wüsste ich nicht, was schlimmer ist: ein Manager, der absichtlich wegschaut, oder einer, der gar nicht informiert wird.“

Auch die „Sun“ vor dem Aus?

Murdoch entschuldigte sich mehrfach für die „abscheulichen“ Praktiken bei „News of The World“. Jahrelang wurden dort Handy-Mailboxen von fast 6000 Menschen abgehört: von Promis, Politikern, Familien gefallener Soldaten, Mordopfern. Auch wurden über 100 Menschen ausspioniert. Die Schadensbereinigung hat den Konzern bereits umgerechnet mehr als 70 Millionen Euro gekostet. Und es könnte noch ärger kommen: Nun wurde auch ein Reporter der Boulevardzeitung „Sun“ festgenommen. Murdoch wollte daher gestern nicht ausschließen, dass auch diese Zeitung eingestellt werden könnte.

Aber auch seine eigene Zukunft ist ungewiss: Viele Aktionäre in den USA wollen ihn absetzen, seine Wiederwahl als Vorstandschef des britischen Pay-TV-Anbieters „BSkyB“ Ende November ist fraglich. Und sollte er doch mehr gewusst haben, drohen rechtliche Konsequenzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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