Noch bis zum Sommer hatte ein Detektiv für die britische Zeitung „News of the World“ spioniert. Seit 2003 stand Detektiv Derek Webb, ein ehemaliger Polizist, auf der Gehaltsliste der Zeitung.
London. Die britische Zeitung „News of The World“ (NoTW) wurde schon vor über drei Monaten eingestellt, doch Schlagzeilen produziert das Blatt, das im Zentrum des britischen Abhörskandals steht, immer noch. Die aktuelle lautet: „Murdoch-Zeitung ließ jahrelang Promis und Politiker beschatten und ausspionieren.“
Seit 2003, so britische Medien, stand Detektiv Derek Webb, ein ehemaliger Polizist, auf der Gehaltsliste der Zeitung und zog mit Kamera und Fernglas los, sobald ein NoTW-Redakteur ihn losschickte. Seine Zielobjekte: Prinz William, die Schauspielerinnen Sienna Miller und Angelina Jolie sowie Dutzende weiterer Promis, aber auch die Eltern von Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe und mehrere Politiker. „Ich schrieb auf, was sie anhatten, welches Auto sie fuhren, wen sie trafen, wo sie sich trafen, die Uhrzeit, die Zeit war besonders wichtig“, so Detektiv Webb zur BBC.
Besonders pikant: Webb soll auch den Labour-Abgeordneten Tom Watson beschattet haben. Der Politiker, der als Mitglied des zuständigen Parlamentsausschusses verbissen die Aufklärung des Skandals verfolgt, reagierte empört: „Ich kann daraus nur folgern, dass dies (die Beschattung, Anm.) nur gemacht wurde, um mich als Ausschussmitglied zu diskreditieren.“
Hat James Murdoch gelogen?
News International, Eigentümer der Zeitung, kommentierte die jüngsten Vorwürfe nicht. Doch bereits am Montag musste das Unternehmen einräumen, dass zwei Opfer-Anwälte im Abhörskandal noch bis zum Sommer von Webb ausspioniert wurden. Der Konzern erklärte, das Beschatten und Ausspionieren der Anwälte sei nicht illegal gewesen, aber „unter den gegebenen Umständen äußerst unpassend“.
Für News International-Chef James Murdoch kommen die jüngsten Enthüllungen zur Unzeit: Heute, Donnerstag, muss sich der Sohn des Konzerngründers erneut vor dem Parlamentsausschuss unangenehmen Fragen stellen. Die Abgeordneten vermuten, dass Murdoch bei seiner ersten Vernehmung im Juli nicht die Wahrheit sagte. Damals hatte er behauptet, nichts vom Umfang der Abhör-Praxis in seiner Zeitung gewusst zu haben. Doch Zeugen und Dokumente widerlegen das.
Die Polizei geht davon aus, dass die Mailboxen von 5800 Menschen abgehört wurden. Zwei frühere Chef-Redakteure und mehrere Reporter des Blattes wurden bisher verhaftet, die Verfahren laufen noch.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2011)