Grüne Landesversammlung: „Wir sind nie zufrieden“

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In der Landesversammlung haben die Wiener Grünen über die Regierungsbeteiligung bilanziert und sich kampfbereit gezeigt. Die von der SPÖ abgelehnte Citymaut soll trotzdem kommen.

Wien. Keine Scheinehe, sondern die große, wahre Liebe. Seit einem Jahr regiert Rot-Grün in Wien und die anfängliche Euphorie darüber ist in Grün-Kreisen immer noch nicht verblasst. Die Landesversammlung gestern, Sonntag, hat das einmal mehr bewiesen.

„Es geht was weiter“, lautete das inoffizielle Motto des Tages. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zählte in ihrer Eröffnungsrede auf, was die Grüne Regierungsbeteiligung für Wien bedeutet: Höhere Parkgebühren, Ausweiten der Parkpickerl, LED-Lampen für die Straßenbeleuchtung, Senkung des Preises für die Wiener-Linien-Jahreskarte und noch viel mehr, wie sie versicherte. Fazit: „Wien geht es gut mit uns Grünen.“ Man stehe für bessere Umwelt, bessere Lebensqualität und Leistbarkeit insgesamt.

Ob man zufrieden sei? „Nein, wir sind nie zufrieden mit dem, was wir getan haben.“ Noch zu viele Baustellen, frei nach dem Motto: Die Liste der unerledigten Dinge ist länger als die der erledigten. Vassilakou nannte die hohe Feinstaubbelastung in den Städten und schoss verbale Giftpfeile in Richtung Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP): „Wien schluckt täglich Staub und der Minister erklärt sich für unzuständig.“ Überhaupt habe die ÖVP ein „Angsthasenproblem“.

Der Koalitionspartner hingegen tauchte in Vassilakous Rede nur marginal auf. Einmal mit dem Hinweis darauf, dass auch die größte Liebe Krisen durchstehen muss: Stichwort Citymaut. Obwohl mit der SPÖ vereinbart, dass sie in dieser Legislaturperiode nicht kommen wird, wolle sich Vassilakou trotzdem dafür einsetzen. Es folgte Applaus wie nach einer gelungenen Burgtheater-Premiere.

Er wolle nicht so kritisch sein wie Maria Vassilakou, meinte ein ausgelassener David Ellensohn, als er das Podium betrat. Auch vom Wiener Klubobmann hörte das Publikum, was im vergangenen Jahr alles erreicht wurde: Nächtigungsgebühr für Obdachlose halbiert, das Amerlinghaus vor der Schließung gerettet, das kleine Glücksspiel abgeschafft.

Wieder in Opposition?

Letzteres dürfte Ellensohn, der stets für die Abschaffung plädiert hatte, am meisten gefreut haben. Es entbehrte aber nicht einer gewissen Komik, dass er den Triumph in den Räumen der Österreichischen Lotterien verkündete – hier fand nämlich die Landesversammlung statt. Im Empfangsraum wurden Curry und Basmatireis serviert, während sich Ellensohn im Hauptsaal um die Oppositionsparteien sorgte: Seit die Grünen in Wien mitregieren, gebe es nämlich keine wirkliche Opposition mehr in der Stadt. Daher sein Vorschlag: Die Partei teilt sich, die einen opponieren, die anderen regieren.

Zufriedenes Gelächter, das allerdings aufhörte, als Ellensohn darauf zu sprechen kam, was viele Wiener der rot-grünen Regierung übelnehmen: „Wir müssen mit Gebührenerhöhungen arbeiten. Mir wäre es auch lieber, wenn Karl-Heinz (Grasser, Anm.) und Fiona (Swarovski, Anm.) zahlen würden.“ Wie ihre Arbeit bei den Wienern ankommt – dazu meldete sich eine Teilnehmerin zu Wort: „Es ist sehr schwer, die Dinge, die hier so positiv vermittelt werden, auch den Leuten positiv darzustellen.“ Als Fazit blieb: Auch wenn man bisher viel gearbeitet habe, habe man noch mehr Arbeit vor sich – vor allem, wenn Rot-Grün auch auf Bundesebene kommen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2011)

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