Syrien: „Veränderung nur durch Mitwirkung der arabischen Liga“

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Die gemeinsame europäische Außenpolitik in New York funktioniere gut, sagt Thomas Mayr-Harting. Die Europäische Union bleibe trotz der Wirtschaftskrise international zentraler Gesprächspartner.

Die Presse: Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Europäische Auswärtige Dienst EAD geschaffen. Dennoch gelingt es der Außenbeauftragten Catherine Ashton nicht, alle Mitgliedstaaten mit einer Stimme sprechen zu lassen. Warum?

Thomas Mayr-Harting: Bei den Vereinten Nationen in New York funktioniert das sehr gut. Die wesentliche Änderung durch den Vertrag von Lissabon ist, dass die Stellungnahmen im Namen aller nicht mehr durch die rotierende Präsidentschaft, sondern die institutionellen Vertreter der EU abgegeben werden. Für unsere internationalen Partner ergibt sich dadurch ein wesentlich höheres Maß an Kontinuität.

Man hat aber den Eindruck, dass die Regierungschefs der großen Mitgliedstaaten den Ton angeben und auch die Koordination nach außen selbst übernehmen.

Sie müssen die Sache nach dem anstehenden Thema beurteilen. Die große Frage, mit der die Regierungschefs ja seit einigen Monaten fast ausschließlich beschäftigt sind, ist die Finanzkrise. Hingegen ist die Tätigkeit der EU im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik eine wesentlich breitere. Da geht es um die Reaktion Europas auf den Arabischen Frühling, um die Position der EU im Nahost-Quartett und vieles mehr. Hier wird ganz deutlich eine gemeinschaftliche Stimme zum Ausdruck gebracht.

Trotz all beschriebener Harmonie – besteht nicht auch die Gefahr für Sie, zwischen den nationalen Interessen zerrieben zu werden?

Insbesondere die kleinen und mittelgroßen EU-Mitgliedstaaten wissen, dass sie durch eine gesamteuropäische Linie ihr Gewicht stärken können. Deshalb ist der Wunsch, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, in den meisten Fällen sehr groß.

Bei der Libyen-Resolution im März diesen Jahres gab es innerhalb der EU-27 deutliche Interessengegensätze...

Natürlich gibt es immer wieder unterschiedliche Positionen. Bei der gemeinsamen Unterstützung Europas für das neue Libyen sind sich hingegen alle EU-Mitgliedstaaten einig – und zwar ganz unabhängig von den Unterschieden im Stimmverhalten im Sicherheitsrat, als es um die Frage des militärischen Eingreifens und des Flugverbotszone ging.

In Syrien lässt Präsident Assad die Aufstände seit acht Monaten brutal niederschlagen. Wieso kann sich die UNO nicht zu einem direkten Eingreifen durchringen?

In der Generalversammlung wurde immerhin eine sehr starke politische Botschaft ausgesandt. Die bedeutendste Entwicklung ist aber die Reaktion der Arabischen Liga. Eine nachhaltige Veränderung der Situation in Syrien kann nur unter sehr aktiver Mitwirkung der arabischen Nachbarn erreicht werden. Das dürfen nicht nur Lehren sein, die dieser Region von außen erteilt werden. Daher sind auch die klaren Stellungnahmen der Türkei sehr interessant. Ankara hatte traditionell ja eigentlich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Syrien.

Reduziert die Krise die Bedeutung der Europäischen Außenpolitik – die EU ist ja zunehmend auf Hilfe von außen angewiesen?

Natürlich ist das ein Thema, das auch in den internationalen Beziehungen eine sehr große Rolle spielt. Aus New Yorker Sicht muss ich aber sagen, dass die EU immer noch fast 40 Prozent des Budgets der Vereinten Nationen finanziert. Zugleich leistet die EU mehr als die Hälfte der weltweiten Entwicklungshilfe. Schon deshalb bleibt sie bei den Vereinten Nationen gerade auch als Hilfsgeber ein zentraler Gesprächspartner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2011)

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