Härtere Strafmaßnahmen: EU verstärkt Druck auf Iran

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Der Sturm auf die britische Botschaft in Teheran hat Konsequenzen. Die EU-Außenminister nehmen bei ihren Sanktionen nun auch den iranischen Erdölsektor, zusätzlich zum Finanzsystem ins Visier.

Brüssel/Wien/W.s./Ag. Die Europäer waren lange Zeit gespalten, was eine härtere Gangart gegen den Iran betrifft. Doch dann geschah etwas, was auch die Zögerer davon überzeugte, ein deutliches Signal setzen zu müssen: Anhänger des iranischen Regimes stürmten am Dienstag die britische Botschaft in Teheran und eine weitere britische Einrichtung, zerstörten Interieur und hielten die Gebäude für einige Stunden besetzt.

Dafür bekam Irans Führung nun die Rechnung präsentiert: Die Außenminister der Europäischen Union beschlossen am Donnerstag härtere Strafmaßnahmen gegen Teheran. Neue Sanktionen waren wegen des umstrittenen iranischen Atomprogramms bereits in Vorbereitung gewesen. Denn der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien hatte verstärkte Hinweise dafür gesehen, dass das iranische Nuklearprogramm – entgegen allen Beteuerungen Teherans – sehr wohl eine militärische Komponente enthalte. Nun wurde der Prozess aber beschleunigt.

Ausländischen Medien hat der Iran die Berichterstattung über Kundgebungen vor diplomatischen Vertretungen Großbritanniens untersagt. Die iranischen Behörden verhängten am Donnerstag ein entsprechendes Verbot.

Gelder in der EU eingefroren

Etwa 180 weitere iranische Einrichtungen und Einzelpersonen wurden auf eine Sanktionenliste gesetzt. Ihre Gelder in der EU werden eingefroren. Zudem erhalten die betroffenen Personen keine Einreisevisa mehr in die Europäische Union. Auch die staatliche iranische Reederei ist von den neuen Maßnahmen betroffen. Die USA wollen die Vermögenswerte der iranischen Zentralbank einfrieren.

Ins Visier der EU-Außenminister rückten zudem das iranische Finanzsystem und der Energiesektor. Die EU-Außenminister einigten sich grundsätzlich darauf, in diesen Bereichen neue Sanktionen zu verhängen. Das genaue Ausmaß davon soll aber erst beim nächsten Treffen im Jänner bekannt gegeben werden.

Suche nach Ersatz für Irans Öl

Dabei ist vor allem ein Stopp für die Einfuhr iranischen Erdöls angedacht. Länder wie Griechenland, die von diesen Importen weitgehend abhängig sind, sträubten sich bis zuletzt gegen ein solches Embargo. „Wir müssen das berücksichtigen und mit verschiedenen Partnern so zusammenarbeiten, dass die Unterbrechung der Lieferungen aus dem Iran durch einen Anstieg der Lieferungen aus anderen Ländern ausgeglichen wird“, sagte dazu am Donnerstag der französische Außenminister Alain Juppé. Und er fügte hinzu: „Ja, es ist machbar.“

Der Iran-Experte der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik, Walter Posch, glaubt, dass das iranische Regime durch die neuen Entwicklungen unter Druck gerät. „Wirtschaftspolitisch braucht und will der Iran westliche Investitionen“, sagt Posch zur „Presse“. Nur noch einige wenige „ganz Frömmelnde“ im Regime glaubten noch, dass hier ein Ausgleich mit Investitionen aus Ländern wie China zu schaffen sei.

Die iranische Führung stehe derzeit vor der gewaltigen Aufgabe, Wirtschaftsreformen durchführen zu müssen. Zugleich gerate sie auf der strategischen Landkarte unter Druck, analysiert Posch. In Syrien tobt derzeit ein immer massiver werdender Aufstand gegen Machthaber Bashir al-Assad. Sollte das syrische Regime fallen, fällt auch ein wichtiger Verbündeter des Iran.

Anschlagspläne in Deutschland?

Die israelische Regierung hat zudem zuletzt angedeutet, notfalls im Alleingang einen Militärschlag gegen Irans atomare Anlagen zu führen. Vor allem Israel sieht in einem nuklear bewaffneten Iran eine unmittelbare massive Bedrohung für seine Sicherheit.

Israel lege es nicht auf einen Krieg mit dem Iran an, denn „Kriege sind kein Picknick, und wir wollen keinen Krieg“, sagte am Donnerstag der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak in einem Radiointerview. Sollte Israel aber durch das iranische Atomprogramm „in die Enge getrieben“ werden, würde es vor einem Militärschlag nicht zurückschrecken.

Barak widersprach jedoch Befürchtungen, ein iranischer Gegenschlag nach israelischen Angriffen könnte für viele Opfer sorgen. „Wir sprechen nicht von 50.000 und auch nicht von 5000 oder 500 Toten in Israel, wenn alle in ihren Häusern bleiben.“

Deutschlands Außenminister Westerwelle forderte am Donnerstag Aufklärung über mögliche iranische Anschlagspläne auf US-Streitkräfte in Deutschland, sollten die USA iranische Atomanlagen bombardieren. Die Hinweise auf solche Attentatspläne seien „schwerwiegend“ und „ernst zu nehmend“, sagte Westerwelle. Zuvor hatte die „Bild“ berichtet, Teheran wolle Nachschub und Logistik der Amerikaner lahmlegen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden aber bei einem mutmaßlichen Agenten keine Hinweise auf Anschlagspläne gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2011)

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