Russland-Wahl: Kreml-kritische Internetseiten blockiert

Parlamanetswahl in Russland.
Parlamanetswahl in Russland.(c) REUTERS (NOZIM KALANDAROV)
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110 Millionen Menschen wählen heute die 450 Abgeordneten für die Staatsduma. Trotz erwarteter Verluste gilt ein deutlicher Sieg der Partei von Premier Wladimir Putin als sicher.

Überschattet von massiven Wahlfälschungsvorwürfen ist wählt Russland heute, Sonntag, ein neues Parlament. Die Beteiligung an der Stimmabgabe sei groß, sagte Wahlleiter Wladimir Tschurow am Sonntag nach Agenturangaben. In dem flächenmäßig größten Land der Erde mit neun Zeitzonen waren rund 110 Millionen Menschen zur Wahl der 450 Abgeordneten für die Staatsduma aufgerufen.

Regierungsgegner wie der nicht zugelassene Politiker Wladimir Ryschkow sprachen schon im Vorhinein von der "schmutzigsten Wahl" seit dem Ende der Sowjetunion. Über Stunden waren am Wahltag mehrere populäre Kreml-kritische Internetseiten blockiert. Grund war vermutlich eine Cyberattacke. Es war der erste Zwischenfall dieser Art überhaupt in Russland. Das Internet galt in dem von Staatsmedien geprägten Umfeld bisher als wichtiger Raum für die Meinungsfreiheit.

Fünf unabhängige Internetseiten gesperrt

Der Radiosender "Echo Moskwy" (Moskauer Echo) beklagte einen Cyber-Angriff auf seine Internetseite. Dieser Angriff sei "ganz klar ein Versuch, die Veröffentlichung von Informationen über Wahlfälschung zu verhindern", schrieb der Chefredakteur des Radiosenders, Alexej Wenediktow, Sonntag früh auf seinem Konto des Internetdienstes Twitter.

Mindestens fünf unabhängige Internetseiten waren nach Angaben von Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag nicht zugänglich. Neben der Website von "Echo Moskwy" waren die Seiten der Tageszeitung "Kommersant", der Wochenzeitung "New Times", der Wahlbeobachtergruppe Golos sowie die von ihr gemeinsam mit der Internetzeitung "gazeta.ru" erstellte Seite betroffen, die Russland-weite Verstöße gegen das Wahlgesetz öffentlich macht.

Sieg für "Geeintes Russland" gilt als sicher

In einer Moskauer Schule gaben in der Früh auch Präsident Dmitri Medwedew und seine Frau Swetlana ihre Stimme ab. Medwedew ist Spitzenkandidat der Regierungspartei "Geeintes Russland". Trotz erwarteter Verluste gilt ein deutlicher Sieg der von Regierungschef Wladimir Putin geführten Partei, obwohl er selbst nicht Mitglied ist, als sicher.

Putin selbst gilt vielen Russen weiter als beliebtester Politiker des Landes, doch die Begeisterung für den 59-Jährigen und sein öffentlich gepflegtes Image des starken Mannes scheint etwas nachzulassen. Einer jüngst veröffentlichten Umfrage zufolge kommt "Geeintes Russland" nur noch auf 252 bis 253 der 450 Parlamentssitze. Bei der Wahl im Jahr 2007 hatte die Partei noch 315 Mandate errungen.

Putin zeigte sich auf dem Weg an die Wahlurne in Moskau zurückhaltend. Vor Anhängern sagte er lediglich, er hoffe auf ein gutes Ergebnis für seine Partei.

Zweidrittelmehrheit wackelt

Kreml-Kritiker werfen der von Putin geführten Partei Manipulationen in großem Stil vor. Nach Angaben der gemäßigten Oppositionspartei Jabloko wurden Wähler in Scharen in die Wahllokale gefahren, um in so bezeichneten "Karussells" illegal reihenweise und mehrfach abzustimmen.

Das Innenministerium sprach von zahlreichen Verstößen, die überprüft würden. Ohne Nennung von Parteiennamen war auch die Rede von einzelnen Versuchen, Wählerstimmen zu kaufen. Die Wahlbeobachterorganisation Golos hatte im Vorfeld über extremen Druck von Behörden geklagt. Zudem hätten sich Arbeitgeber von Beschäftigten schriftlich versichern lassen, dass diese für die Putin-Partei stimmen.

Landesweit waren 330.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Die Menschenrechtsorganisation Memorial hatte von "großer Nervosität" in der Putin-Partei berichtet, die um ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Duma fürchten muss. Regierungsgegner haben noch für den Wahltag in Moskau und anderen Städten Protesten gegen den aus ihrer Sicht "undemokratischen Urnengang" angekündigt. Wahlkommissionschef Tschurow hat dies zurückgewiesen und die Abstimmung als "kristallklar und sauber" bezeichnet.

Erneuter Rollentausch Putin-Medwedew

Der Urnengang gilt auch als Stimmungstest für die Präsidentenwahl 2012. Putin, der bereits von 2000 bis 2008 russischer Präsident war, will sich im März erneut zum Staatsoberhaupt wählen lassen. Medwedew soll künftig die Regierung führen.

Zu der Parlamentswahl waren sieben registrierte Parteien zugelassen. Regierungsgegner, die einen Machtwechsel anstreben, erhielten jedoch keine Partei-Registrierung. Sie sind von der Abstimmung ausgeschlossen. Das Parlament wird nach einer Verfassungsänderung erstmals für fünf Jahre, statt wie bisher vier, gewählt.

Erste Prognose am Abend

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kontrollierte mit rund 300 Beobachtern den Ablauf des Votums. Die Wahllokale waren in den einzelnen Zeitzonen jeweils von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet. In Wladiwostok und anderen Orten im äußersten Osten Russlands schlossen die Wahllokale bereits am Vormittag Moskauer Zeit. Als letztes sollten um 18.00 Uhr MEZ die Lokale in der Ostseeregion Kaliningrad schließen. Noch für den Abend wurden erste Prognosen und Ergebnisse erwartet.

(Ag.)

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