Diskussion: Politik und Medien - Wer gängelt wen?

Diskussion
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Im Parlament diskutierten Medienvertreter mit SPÖ-Mann Josef Cap über den Zustand der österreichischen Medienbranche und die ORF-Causa. Vorschläge für eine ORF-Reform kamen von Karlheinz Kopf und Gerhard Moser.

Es ist das Killerargument der Politik, wenn es um den ORF geht: Im Vergleich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk würden Journalisten privater Medien viel weniger frei sein. Auch Josef Cap, SPÖ-Klubobmann und Mediensprecher, stellte dieses Argument am Dienstag im Parlament bei der Diskussion „Gegängelte Medien?“ in den Raum. Und Eva Weissenberger, designierte Chefredakteurin der Kärntner „Kleinen Zeitung“, konterte: „Ich kenne den Unterschied zwischen ORF und den Privaten.“ Sowohl beim „Falter“ wie auch bei der „Kleinen“ sei sie nie abgehalten worden, Geschichten zu recherchieren oder zu schreiben, in ihren zwei Jahren beim ORF-Report seien hingegen zwei Mal Beschwerden über ihre Recherchen bei hohen ORF-Managern eingegangen und eine Geschichte rund um die EM sogar abgedreht worden. Egal, ob die Interventionen Früchte tragen würden oder nicht, im ORF zeige sich: „Die persönliche Karriere hat immer noch einen politischen Beigeschmack im ORF. Wer sich wohl verhält, hat große Chancen, etwas zu werden.“ Auch wenn die Frauen im ORF langsam die gläserne Decke durchstoßen, sei die politische gläserne Decke im ORF noch lange nicht verschwunden.

"Was hätte Pelinka tun sollen? Herummücken?"

Josef Cap, der während der ORF-Debatte der vergangenen Wochen keine Stellung dazu nehmen wollte, zeigte sich am Dienstag bei der Diskussion auf Einladung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure sehr gesprächig. Er entschied sich allerdings dazu, die aktuelle ORF-Causa etwas zu verblödeln und vor allem abzuschwächen: „Was hat der Niko Pelinka mit redaktioneller Freiheit zu tun? Was hätte er denn tun sollen: Herummücken in den Redaktionen?“, witzelte er in Anspielung auf den früheren ÖVP-beeinflussten ORF-Chefredakteur Wolfgang Mück. Im ORF habe sich sehr wohl etwas verändert. Wrabetz sei aus der Debatte gestärkt und nicht geschwächt hervorgegangen, er halte den ORF-Chef überhaupt "für einen geschickten Manager". Und er ergänzte: "Wo gibt's schon so ein Kabarett wie bei uns? Auch wenn es manchmal schmerzhaft lustig ist."

Grundsätzlich sei es immer auch die Entscheidung des einzelnen Journalisten, ob er „auf Druck per Anruf von einem Politiker reagiert oder trotzdem etwas schreibt“. Einer wie Moderator Armin Wolf, der offen Kritik an seinem Arbeitgeber übe, wäre "unter dem berühmten Gerd Bacher weg gewesen". Armin Thurnher, Herausgeber der Stadtzeitung "Falter", entgegnete Cap: "Ich verteidige den Bacher ja ungern, aber er hätte den Wolf natürlich nicht gefeuert."

Cap meinte zudem, nicht nur die Politik würde manchmal die Medien gängeln, sondern die Journalisten umgekehrt auch die Politiker. Er kenne Zeitungen, da hieße es: „Du gibst mir die Informationen und ich schreibe, dass Du ein leiwander Typ bist“. Thurnher entgegnete: Wenn die SPÖ diese Mechanismen ändern wolle, sollte sie diesen Medien kein Geld durch Inserate mehr geben. Dass die SPÖ in „Krone“ oder „Heute“ inseriere, verteidigte Cap mit der hohen Reichweite der Blätter. "Die Krone wird von drei Millionen gelesen. An diesem Faktum kommt man niemand vorbei."

Schönbach: Mehr Offenheit gegenüber den Lesern

Wieso das österreichische Mediensystem in vielerlei Hinsicht speziell ist, erklärte Klaus Schönbach, Institutsvorstand der Publizistik an der Uni Wien: Die Symbiose zwischen Journalisten und Politikern sei hier besonders eng. Zum Vergleich nannte er den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, der sich sicher sein könne, die Politikredakteure von Regionalzeitungen wie dem "Münchner Merkur" nicht persönlich zu kennen. Cap entgegnete, dass es ",auch Vorteile" habe, wenn jeder jeden kennt: "Glauben Sie, ich kann einen Journalisten, den ich seit Jahren kenne, belügen? Ich kann nur versuchen, nicht alles zu erzählen". Schönbach sieht aber noch weitere Ursachen für das "korrupte Medienmilieu", wie Armin Thurnher es nannte: Erstens gebe es in keinem zivilen Land der Welt, die Möglichkeit Stiftungen geheim zu halten. Zweitens sei in keinem anderen Land, Werbung so wenig klar gekennzeichnet wie hier. Und drittens sei "die Politisierung des Mediensystems nirgends so stark wie in Österreich". Schönbach rät zu noch mehr Transparenz. Darunter versteht er auch, das Medien ihren Lesern offen erklären, welche Parteien oder Standpunkte sie unterstützen. Transparenz - ein Stichwort, das Cap dankbar aufgriff. Mit dem kürzlich beschlossenen Medientransparenzgesetz habe die Politik ja gerade den Einblick in Stiftungen frei gegeben.

Gruppendruck durch Twitter?

In der anschließenden Diskussion riet der Grüne Mediensprecher Dieter Brosz, auch die Rolle von sozialen Netzwerken in Debatten wie der aktuellen ORF-Causa zu bedenken. So sei zu hinterfragen, ob etwa durch Twitter so etwas wie ein Gruppendruck entsteht, der einzelne Medien dazu verleitet, eine bestimmte Haltung zu einem Thema zu haben. Brosz erzählte auch von seinem persönlichen "Aha-Erlebnis" bei den Verhandlungen zum ORF-Gesetz im Jahr 2010. Da seien neben dem Verhandlungsraum der Politik in einem zweiten Sitzungszimmer Vertreter des Verlegerverbands (VÖZ) und des ORF gesessen, die bei jedem neuen Beschluss um ihr Einverständnis gefragt wurden. "Über diese Einflussnahme wird nicht diskutiert. Auch da finden Gängelungen zwischen Politik und Medien statt".

Kopf: Mehrköpfiger Vorstand statt Generaldirektor

In der aktuellen Diskussion um eine ORF-Reform gab es am Mittwoch erneut neue Vorschläge. ÖVP-Mediensprecher und Klubobmann Karlheinz Kopf schlägt in einem Antwortbrief an die Redakteurssprecher vor, es soll die Position des Alleingeschäftsführers in Form des Generaldirektors durch einen mehrköpfigen Vorstand ersetzt werden. Der Stiftungsrat soll auf 15 Mitglieder verkleinert werden, von denen zehn Mitglieder das Parlament nominiert und fünf die Belegschaftsvertreter des ORF. Dafür soll der Publikumsrat zu einer Art "Rundfunkrat" aufgewertet werden. Die Redakteure hatten am Montag einen Brief an die Parlamentsklubs geschrieben und darin die Verfehlungen der Stiftungsräte aufgelistet, sowie ihre Reformvorschläge dargelegt. Zentralbetriebsrat Gerhard Moser forderte gegenüber der APA am Mittwoch, den Stiftungsrat "massiv zu verkleinern".

Neben einer Rücknahme der Pro-Kopf-Sparvorgaben fordert Moser auch eine Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse für die freien Mitarbeiter. Man bewege sich arbeitsrechtlich in halblegalen Zonen, kritisierte er: "Wir haben es mit einem neuen Prekariat zu tun, den sogenannten 'freien Mitarbeitern', die zum größten Teil miserabel bezahlt werden und sozial kaum abgesichert sind", so Moser.


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