Khol: "Strache ist unfähig für das Amt des (Vize-)Kanzlers"

Khol Strache unfaehig fuer
Khol Strache unfaehig fuer(c) MARKUS LEODOLTER / APA / picture (MARKUS LEODOLTER)
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Die ÖVP verurteilt die Aussagen des FPÖ-Chefs beim WKR-Ball. Schwarz-Blau schließt sie dennoch nicht aus: "Mir gefallen diese Aussagen von Strache persönlich nicht, aber in Demokratien bestehen Koalitionen."

Wien. Die Lehren, die Andreas Khol aus den Ereignissen am Ball des Wiener Korporationsringes vom Freitag zieht, lassen keinen Zweifel offen – zumindest in Bezug auf den FPÖ-Chef: Mit seinen Vergleichen hätte Heinz-Christian Strache gezeigt, „dass er für das Amt des Kanzlers oder Vizekanzlers unfähig ist. Für mich kommt er dafür nicht in Frage“, sagt der frühere Nationalratspräsident und heutige Chef des ÖVP-Seniorenbundes.

Anders als die SPÖ, respektive Bundeskanzler Werner Faymann, der im Bundesparteivorstand gestern, Mittwoch, betonte, dass die Vorfälle das „Nein“ der SPÖ zu einer Koalition mit der FPÖ untermauerten, lässt Kohl dies aber weiter „völlig offen“: Mit Koalitionsvarianten, sagt er im Gespräch mit der „Presse“, befasse er sich nicht. Damit liegt der Seniorenbund-Chef auf Parteilinie: ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch äußerte sich gegenüber der „Presse“ ähnlich wie Vizekanzler Michael Spindelegger tags zuvor: „Mir gefallen diese Aussagen von Strache persönlich nicht, aber in Demokratien bestehen Koalitionen.“

„Spielen Strache in die Hände“

Jedenfalls aber hätte der Burschenschafter-Ball verdeutlicht, „dass es überall Unbelehrbare gibt“, meint Kohl. Der FPÖ-Chef gehöre genauso dazu wie die Organisatoren der Gegendemos: „Sie verstehen nicht, dass sie Strache damit in die Hände spielen.“ Der FPÖ-Chef soll sich, wie berichtet, in der Ballnacht über die Proteste gegen die Veranstaltung beschwert – und Brandanschläge auf Burschenschafter-Buden zum Anlass für folgenden Vergleich genommen haben: „Das war wie die Reichskristallnacht. Wir sind die neuen Juden.“ Ein „Standard“-Journalist, der sich als Anhänger Straches ausgegeben hatte, hörte dies mit.

Strache-Angelobung: Kein Muss

Der FPÖ-Chef fühlt sich falsch zitiert, wie er Dienstagabend in der „ZiB2“ erklärte. Seine Aussagen seien bewusst aus dem Zusammenhang gerissen worden. Er wollte nur zum Ausdruck bringen, dass er jetzt verstehen könne, wie es in der „Reichskristallnacht“ zu einer „totalitären Massenpsychose“ gekommen sei. Am WKR-Ball seien „viele weinende Frauen“ zu ihm gekommen, denen ins Gesicht geschlagen worden war.

Der Ausspruch „Wir sind die neuen Juden“ stamme im Übrigen von Jörg Haider und sei beim Ball eben zur Sprache gekommen. Dass die FPÖ klare Distanzierungen vermissen lasse, wies der Parteichef zurück: Sie habe mit Antisemitismus und Nationalsozialismus nichts zu tun. Der „Standard“ dementierte wenig später, dass der Name Haider in besagtem Gespräch gefallen sei. Der Redakteur würde dies unter Eid bezeugen.

Nachdem Heinz Fischer – die FPÖ warf ihm am Mittwoch vor, er „missbrauche das höchste Amt für Parteipolitik“ – Strache nun einen Orden verweigerte, stellt sich die Frage: Könnte er ihm auch die Angelobung als Kanzler verweigern, sollte die FPÖ nach der nächsten Wahl stimmenstärkste Partei werden? Das Bundesverfassungsgesetz selbst gibt in dieser Frage nur spärlich Auskunft: „Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt.“ Punkt. „Es gibt keine dezidierte Pflicht des Bundespräsidenten, eine konkrete Person zu beauftragen, auch wenn deren Partei die meisten Mandate hat“, sagt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk von der Uni Wien.

Aber: Da der Präsident verpflichtet sei, seinen Beitrag zu leisten, damit eine Regierung zustande komme, habe er „die logische Pflicht“, den mit der Bildung der Regierung zu betrauen, der dazu auch in der Lage ist. Sprich: Jemanden, der eine Mehrheit hinter sich hat. Ein Grund, sich gegen einen Kanzler in spe zu stellen, wäre, wenn der Bundespräsident Bedenken habe, dass sich die Person nicht an die Verfassung halte, sagt Funk. Und dann? „Dann muss der Präsident eine Alternative für die Regierungsbildung finden. Die ultima ratio wären Neuwahlen.“

„Recht ist mit Weisheit am Ende“

Das gelte, wenn es tatsächlich hart auf hart geht, auch im Fall der Ministerbestellung, wenn Fischer etwa einen Minister Strache ablehnen würde. Generell, sagt Funk, „ist das Recht in solchen Fällen mit seiner Weisheit bald am Ende. Das ist ein Machtkampf, der über die rechtlichen Regeln hinausgeht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2012)

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