Deutschland: Ein Ministreik legt Flughafen Frankfurt lahm

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Auf dem größten Flughafen Deutschlands kommt es durch den Arbeitskampf der Vorfeldkontrolleure zu massiven Behinderungen. Auch heute dürften viele Flüge ausfallen.

Berlin/Gau. „Follow me“ steht auf ihren Wagen. Mit ihnen geleiten sie Flugzeuge von der Parkposition zur Startbahn und zurück. Und ganz Deutschland folgt gebannt dem Streik der kleinen Truppe, die den Flughafen Frankfurt lahmlegt, eines der wichtigsten Drehkreuze der internationalen Luftfahrt.

Es geht nicht um die üblichen Verdächtigen, Piloten oder Fluglotsen. Ernst machen jetzt Angestellte mit Berufen, die kaum jemand kennt: Vorfeldlotsen, Verkehrsdisponenten und Flugfeldeinweiser fordern deutlich mehr Gehalt für weniger Arbeit. Es geht um nur 190 von 12.000 Mitarbeitern, die der Flughafenbetreiber Fraport auf dem zweitgrößten Airport Europas beschäftigt.

Sieben Stunden lang, von 15 bis 22 Uhr, dauerte der Streik am Donnerstag. Wenn das Management nicht nachgibt, wird am Freitag weitergestreikt, fast ganztägig von acht bis 22 Uhr. Etwa 1100 Flieger sollten heute starten oder landen. Auch Dutzende Österreich-Verbindungen sind betroffen. Allerdings sorgte Fraport gestern dafür, dass gut die Hälfte der Flüge über die Bühne ging, darunter fast alle Langstreckenverbindungen. Frühere Vorfeldkontrolleure sprangen ein, zusammen mit Mitarbeitern aus anderen Bereichen. Angesichts des drohenden Streiks wurden sie in den letzten Tagen rasch eingeschult.

Denn die Berufsgruppe hält zwar eine Schaltstelle des Betriebes inne, ihre Jobs sind aber weit weniger heikel und anspruchsvoll als jener der Fluglotsen. Gerade deshalb will Fraport hart bleiben. Die Forderungen, die angeblich auf Steigerungen von „64 bis 73 Prozent“ hinauslaufen, seien „im Vergleich mit anderen Tätigkeiten auf dem Flughafen nicht darstellbar“, wie ein Sprecher formulierte. Im Klartext: Wenn wir bei denen nachgeben, kommen alle.

Betriebsrat kritisiert Streikende

Nicht einmal die Betriebsratchefin Claudia Armier erklärt sich mit den Rebellen solidarisch: Die Ansprüche seien „völlig überzogen“, weshalb sie an ihre Kollegen schriftlich appelliert hat, darauf zu verzichten – vergeblich.

Bisher wurden die Frankfurter Vorfeldkontrolleure von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vertreten. Nicht gut genug, wie viele meinten. Deshalb schlossen sie sich im Herbst zum größten Teil der Flugsicherungsgewerkschaft GdF an, die schon im Tarifkonflikt der Fluglotsen erfolgreich war.

In Deutschland herrscht zwischen den Gewerkschaften Wettbewerb. Ein Spruch des Bundesarbeitsgerichts hat ihn so weit getrieben, dass es im selben Unternehmen mehrere Tarifverträge geben kann. Das stärkte die Macht und Willkür kleiner Spartengewerkschaften. Nun werden Rufe laut, die Tarifeinheit per Gesetz wieder herzustellen. Es sei „nicht akzeptabel“, dass eine kleine Gruppe „alle Fluggäste und Fluggesellschaften für die Durchsetzung von Partikularinteressen in Geiselhaft nimmt“, sagte Michael Fuchs, der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. So sieht es auch Fraport-Arbeitsdirektor Herbert Mai, selbst ein ehemaliger Gewerkschafter: „Zwei Prozent der Beschäftigten dürfen einfach nicht ein Unternehmen erpressen.“

Einen Etappensieg konnte die GdF aber schon erringen: In ihrer Not hatten die Fraport-Verhandler einen Schlichter beigezogen, den früheren Hamburger CDU-Bürgermeister Ole von Beust. Der kam den Wünschen der Gewerkschaft im Schlichterspruch so nahe, dass diese ihn freudig akzeptierte, der Arbeitgeber aber ablehnte. Das macht natürlich keine gute Optik, und es gibt den Streikenden moralischen Rückenwind.

Den Flughafen kommen die Ausfälle jedenfalls teuer zu stehen. Als im Vorjahr die Aschewolke über Island die Flugzeuge auf dem Boden hielt, schlug das mit fünf Millionen Euro pro Tag zu Buche.

Die Hände reibt man sich hingegen in Hahn im Hunsrück: Der verlustreiche Provinzflughafen, 100 Kilometer von Frankfurt entfernt, wird in diesen Tagen zur beliebten Ausweichdestination.

Auf einen Blick

Auf dem Flughafen Frankfurt sorgt ein Streik von 190 Vorfeldkontrolleuren seit Donnerstagnachmittag für Flugausfälle und Verzögerungen. Die Streikenden sind nur zwei Prozent der Fraport-Mitarbeiter. Unionspolitiker wollen nun die Tarifeinheit in den Betrieben wiederherstellen, um Willkürakte kleiner Spartengewerkschaften künftig zu verhindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)

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