UN-Menschenrechtsrat will Anklage gegen Assad

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Erster Schritt auf dem Weg vor den Internationalen Strafgerichtshof. Die UNO verfügt über „gesicherte Erkenntnisse“, wonach die Führung in Damaskus für schwere Menschenrechtsverstöße verantwortlich sei.

Genf. In der UNO wurden erste Schritte für mögliche Verfahren gegen Syriens Präsident Bashar al-Assad und andere ranghohe Vertreter seines Regimes wegen Verbrechen gegen die Menschheit eingeleitet.

Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates verfügt laut ihrem Bericht über „gesicherte Erkenntnisse“, wonach „Vertreter auf den höchsten Ebenen der Regierung“ sowie „führende Offiziere der Streitkräfte“ für „Verbrechen gegen die Menschheit und andere schwere Menschenrechtsverstöße“ verantwortlich seien.

Die von dem Brasilianer Paulo Sérgio Pinheiro geleitete Untersuchungskommission übergab dem Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen in Genf eine vertrauliche Liste mit den Namen der Personen und Armeeeinheiten, gegen die Verfahren eröffnet werden könnten.

Nach Informationen der „Presse“ befinden sich auf der vertraulichen Liste neben Präsident Assad auch sein jüngerer Bruder Maher, der die Eliteeinheiten der Armee und deren Geheimdienste kommandiert, sein Schwager Assef Schawkat, stellvertretender Stabschef für Sicherheit und Aufklärung, sowie zwei Cousins des Präsidenten: Dhu al-Himma Schalisch, Leiter von Assads Sicherheitseinheit, und Hafis Machluf, der eine führende Position in der Geheimdienstzentrale innehat.

Folter und wahlloser Beschuss

In dem Bericht beschreiben die unabhängigen Ermittler der UNO, wie die syrischen Streitkräfte auf Befehl Kinder und unbewaffnete Demonstranten erschießen, verwundete Gefangene in Krankenhäusern foltern, Soldaten töten, die entsprechende Befehle verweigern, grundlos Menschen festnehmen und wahllos Wohngebiete mit Panzern und Maschinengewehren angreifen.

Syrien verweigert Kooperation

Zwar hätten auch die Aufständischen Menschenrechtsverstöße und Verbrechen begangen, heißt es in dem Bericht. Diese seien „allerdings vom Umfang und von der Organisation her nicht vergleichbar“ mit den vom Regime zu verantwortenden Verbrechen.

Die im März 2011 vom UNO-Menschenrechtsrat etablierte Untersuchungskommission hat den Auftrag, Gewalttaten aller Konfliktparteien in Syrien zu untersuchen und zu dokumentieren. Der gestern veröffentlichte zweite Bericht der Kommission behandelt die Zeit von Anfang November bis zum 15. Februar. Er stützt sich auf Interviews mit 329 Überlebenden und Zeugen von Gewalttaten, Flüchtlingen und Journalisten. Für fast alle dokumentierten Gewalttaten gibt es mindestens zwei voneinander unabhängige Zeugen.

Das Regime in Damaskus verweigerte der Kommission jedoch den Zutritt zu Syrien und jegliche Kooperation.

Die Kommission hatte lediglich Kontakt mit Syriens UNO-Botschafter in Genf und nahm dessen vollständige Stellungnahmen als Anhang in den Bericht auf.

Anfang kommender Woche wird sich der Menschdenrechtsrat erneut mit der Lage in Syrien befassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2012)

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