„Wir haben alle gestunken“

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bdquoWir haben alle gestunkenldquo(c) EPA (LAURENT LEVY)
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Nach der Schiffshavarie vom Montag kamen am Freitag die ersten Passagiere nach Österreich zurück. Panik habe es nicht gegeben - dafür defekte Sanitäranlagen.

Wien. Das größte Problem, sagt Micheline Bauma aus Lichtenau im Waldviertel, seien die Sanitäranlagen gewesen. „Es war eine Katastrophe. Die Klos waren unbrauchbar.“ Auch ihre Mitreisende, die Salzburger Historikerin und Autorin Sigrid Maria Größing, bestätigt: „Es hat fürchterlich gestunken. Wir haben den Deckel aufgemacht – und sofort wieder zu.“

Bauma und Größing waren Passagiere des italienischen Kreuzfahrtschiffes „Costa Allegra“. Vergangenen Montag brach nahe den Malediven auf dem Schiff ein Brand aus, er wurde rasch gelöscht, niemand wurde verletzt – aber die Stromversorgung war fortan kaputt. Ein französischer Fischkutter schleppte den mächtigen Kahn mit seinen mehr als 1000 Menschen (davon etwa 636 Touristen) zur Seychellen-Hauptinsel Mahé. Die Passagiere mussten vier Tage ohne Strom auskommen – mit allen Konsequenzen, etwa defekten Küchen und Lampen.

Freitagfrüh landeten 35 der 97 Österreicher in Schwechat an Bord eines italienischen Charterjets. Die übrigen (meist zwischen 50 und 80 Jahre alt) bleiben auf Einladung der Reederei Costa Crociere sieben oder 14 Tage zum Urlaub auf den Seychellen, insgesamt haben mehr als 70 Prozent der Passagiere diese Wiedergutmachung gewählt. Bauma und Größing sagten aber, dass sie keinen Badeurlaub machen wollten.

Keine Panik, keine Infos

Bei ihrer Ankunft wirken beide Frauen erleichtert, aber entspannt: Die Situation sei weit weniger tragisch gewesen als dargestellt. Auch der Alltag auf dem Schiff sei so weit normal verlaufen. Panik habe es keine gegeben. Größing betont, sie habe „nie Angst gehabt“.

Über die Besatzung wolle sie sich nicht beschweren, der Crew habe man aber die Überforderung angemerkt, sagt Bauma. Größing kritisiert die Kommunikation an Bord: „Am Anfang hat uns die Crew viele Informationen gegeben, dann nicht mehr. Das war schlimm.“ Angeblich hätten die Passagiere lange nicht gewusst, wohin das Schiff gebracht werde. Und den Kapitän, einen Italiener, habe sie nur einmal gesehen.

Die Nächte verbrachten die meisten Passagiere auf Deck, denn in den Kabinen war es ob der ausgefallenen Klimaanlagen zu heiß. Größing und ihr Mann schliefen als einige der wenigen innen: „Wir haben's beide mit dem Kreuz“, sagt sie. Sie hätten sich aber regelmäßig mit etwas Wasser bespritzen müssen: „Die Hitze war unerträglich.“

Auch die „absolute Finsternis“ im Schiff wegen des Stromausfalls machte den Passagieren zu schaffen: „Die Leute, die eine Taschenlampe hatten, waren sehr gefragt“, erzählt Größing, die selbst zwei Lampen besaß. Erst kurz vor der Ankunft in Mahé hätten Helikopter, die die Passagiere mit Wasser und Lebensmittel versorgten, Taschenlampen abgeworfen. Warum diese nicht früher bereitgestellt wurden, weiß sie nicht. Die Reederei wollte das auf Anfrage der „Presse“ nicht beantworten.

Kurz vor dem Lagerkoller

Dafür habe die Versorgung der Passagiere tadellos geklappt, meinen die Rückkehrerinnen. Zu essen gab aber nur Sandwiches, zu trinken Säfte und Wasser: „Am Anfang war in den Sandwiches noch mehr Salami drin, am Schluss weniger“, erzählt Größing. Richtig schlecht sei es keinem gegangen. Das größte Problem seien die defekten Sanitäranlagen gewesen: Wegen der ausgefallenen Duschen habe sich auch der Körpergeruch aller von Tag zu Tag verschlechtert: „Wir haben alle gestunken.“

Der Lagerkoller machte sich kurz vor Ende der Irrfahrt bemerkbar: „Ich wollte ein Glas Milch holen und da saß auf meinem Platz ein Franzose, der wollte partout nicht mehr aufstehen.“ Vorher seien die Leute freundlicher gewesen. Da habe sie gewusst: „Es hätte keinen Tag länger dauern dürfen.“

Hat's auch nicht: Auf Mahé habe Bauma erst einmal einen „Sprint in die nächste Dusche“ hingelegt. Größing lobt auch die Hilfsbereitschaft des österreichischen Konsuls vor Ort. Auf dem Festland habe sie sich „gerettet“ gefühlt. Und: „Sie können sich nicht vorstellen, welche Freude ein Mensch mit einer Dusche haben kann.“

Hilfe vom Konsumentenschutz

Auf eine Kreuzfahrt wollen beide wieder gehen (laut Reederei seien in absehbarer Zeit alle Schiffe ausgebucht). Costa Crociere habe zusätzlich zur Rückerstattung der doppelten Reisekosten allen Passagiere, die nicht auf den Seychellen blieben, einen Gutschein für eine Kreuzfahrt angeboten. „Ich weiß nicht, ob wir den nehmen“, sagt Größing, oder ob sie Schadenersatz wolle. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) bietet Passagieren an, für sie Klage zu führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2012)

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